Das brennende Land
von Beamfleot wegzogen. Meine Mannschaft, unterstützt von etwa zwanzig ungeschickten Merciern, ruderte das Schiff, auf dem auch Haestens Frau, seine beiden Söhne und vierzig weitere Geiseln mitfuhren. Finan bewachte sie, doch niemand von ihnen begehrte auch nur ein einziges Mal auf.
Æthelflæd stand neben mir am Steuerruder. Sie sah sich nach dem Rauch um, der hinter uns aufstieg, und ich wusste, dass sie an das letzte Mal dachte, als sie von Beamfleot weggesegelt war. Auch damals hatte es Rauch gegeben und tote Männer und so viel Gram. Sie hatte ihren Geliebten verloren und nur noch freudlose Finsternis vor sich gesehen.
Nun sah sie mich an, und sie lächelte, ebenso, wie es ihr Bruder getan hatte. Dieses Mal war sie glücklich.
Die langen Ruder tauchten ins Wasser, die Flussufer rückten näher aneinander, und im Westen verschleierte der Rauch der Kochfeuer von Lundene den Himmel.
Ich brachte Æthelflæd heim.
Nachwort des Autors
Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurde eine Eisenbahnstrecke zwischen der Londoner Fenchurch Street und Southend verlegt, und bei den Aushubarbeiten in der Nähe von South Benfleet (Beamfleot) entdeckten die Arbeiter die verkohlten Überreste verbrannter Schiffe, zwischen denen menschliche Skelette lagen. Diese Überreste waren mehr als neunhundert Jahre alt, und sie waren das, was von Haestens Armee und von seiner Flotte überdauert hatte.
Ich wuchs im nahe gelegenen Thundersley (Thunresleam) auf, wo es auf dem Friedhof von Saint Peter's einen aufrecht stehenden Stein mit einem Loch gab, den die örtliche Folklore zum «Teufelsstein» erklärt hatte. Wenn man dreimal im Kreis um den Stein herumging, und zwar gegen den Uhrzeigersinn, und dann etwas in das Loch flüsterte, konnte einen angeblich der Teufel hören und jeden Wunsch erfüllen. Bei mir hat das nie funktioniert - nicht, dass ich es nicht oft versucht hätte. Der Stein jedenfalls war viel älter als das Christentum in Britannien und sogar älter als die ersten Sachsen, die den Thorskult mitgebracht hatten, von dem übrigens der Name des Dorfes stammte.
Westlich unseres Hauses lag ein abschüssiger Hang, der zu der Ebene in Londoner Richtung ausläuft. Dieser Steilhang wird Brot-und-Käse-Hügel genannt, und mir wurde erklärt, dieser Name stamme aus sächsischen Zeiten, bedeute eigentlich und beschreibe die Waffen, die auf diesem Hügel vor langer Zeit in einer Schlacht zwischen Wikingern und Sachsen eingesetzt worden seien. Mag sein. Doch merkwürdigerweise erfuhr ich nie etwas darüber, wie wichtig Benfleet für die lange Entstehungsgeschichte Englands war.
In der letzten Dekade des neunten Jahrhunderts war Alfreds Wessex erneut massiven Angriffen der Dänen ausgesetzt. Es fanden drei große Angriffe statt. Ein unbekannter Anführer (den ich Harald genannt habe) kam ebenso wie Haesten mit einer Flotte nach Kent. Zugleich sollten die northumbrischen Dänen einen schiffsgestützten Angriff auf die Südküste von Wessex in die Wege leiten.
Die beiden dänischen Kampfverbände in Kent hatten beide zuvor einen Plünderzug durch das Gebiet unternommen, das heute Frankreich ist, und sich üppige Schmiergelder zahlen lassen, um wieder abzuziehen und stattdessen Wessex anzugreifen. Haesten nahm anschließend noch weiteres Geld dafür an, dass er sich aus Wessex zurückzog, und gestattete sogar, dass seine Frau und zwei seiner Söhne getauft wurden. Inzwischen rückte der größere dänische Kampfverband von Kent aus westwärts vor, wurde jedoch bei Farnham in Surrey (Fearnhamme) geschlagen. Diese Schlacht war einer der größten Siege der Sachsen über die Dänen. Er zerschlug die große dänische Armee und zwang die Überlebenden, ihren verwundeten Anführer Richtung Norden zu bringen. Sie fanden Zuflucht auf Torneie (Thorney Island), einem Ort, der heute im Zuge der Bauprojekte rund um den Flughafen Heathrow verschwunden ist. Die Flüchtlinge wurden dort belagert, doch die Belagerung scheiterte, und die Sachsen zahlten erneut, um die Dänen loszuwerden. Viele Überlebende wandten sich nach Benfleet, das damals zum Königreich Ostanglien gehörte, weil Haesten dort eine Festung errichtet hatte.
Nun begab sich Haesten trotz all seiner Freundschaftsbeteuerungen in die Offensive und griff Mercien an. Alfred, der Mercien beschützte, war durch den Angriff der northumbrischen Dänen abgelenkt, doch er schickte seinen Sohn Edward, um Haestens Lager bei Benfleet anzugreifen. Dieser
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