Das brennende Land
ältestem Sohn, Edward dem Ætheling, befehligt. Ætheling bedeutete Thronfolger. Edward sollte nach Alfreds Tod die Krone übernehmen.
Doch sie hatten nichts getan. Sie hatten ihre Männer an den langen, bewaldeten Höhenzug in der Mitte von Cent geführt, wo sie Richtung Norden gegen Haesten und Richtung Süden gegen Harald losschlagen konnten, und dann hatten sie bewegungslos dort verharrt. Vermutlich befürchteten sie, nach einem Angriff auf eine der dänischen Armeen könnte ihnen die zweite in den Rücken fallen. Und nun hatte mich Alfred geschickt, überzeugt von der übermächtigen Stärke seiner Gegner, um Haesten dazu zu bringen, aus Wessex abzuziehen. Alfred hätte mir befehlen sollen, meine Garnison gegen Haesten zu führen, mir erlauben sollen, die Marschen mit Dänenblut zu tränken, doch stattdessen wurde mir aufgetragen, Haesten zu bestechen. Der König glaubte, dass er es mit Haralds wilden Horden aufnehmen könnte, wenn Haesten erst einmal verschwunden wäre.
Haesten nahm einen Dorn, stocherte sich zwischen den Zähnen herum und förderte schließlich ein Stückchen Fisch zutage. «Warum greift Euer König Harald nicht an?», fragte er.
«Das würde dir wohl gefallen», sagte ich.
Er grinste. «Wenn Harald mitsamt seiner stinkenden Hure verschwunden wäre, würden viele Männer in mein Heer eintreten.» «Stinkende Hure?»
Er grinste vor Freude darüber, dass er mir etwas an Kenntnis voraushatte. «Skade», sagte er.
«Das ist Haralds Frau?»
«Seine Frau, seine Hure, seine Geliebte, seine Zauberin.» «Nie von ihr gehört.»
«Das werdet Ihr noch», versprach er. «Und wenn Ihr sie seht, mein Freund, dann wollt Ihr sie. Sie dagegen nagelt Euren Schädel an den Giebel ihrer Wohnhalle, wenn ihr das irgendwie gelingt.»
«Hast du sie schon gesehen?» Er nickte.
«Und wolltest du sie?»
«Harald ist ein Hitzkopf», sagte er, ohne meine Frage zu beachten. «Und Skade wird ihn noch bis zur Blödheit aufstacheln. Und wenn das geschieht, werden sich viele seiner Männer einen neuen Herrn suchen.» Er lächelte hinterhältig. «Mit hundert Schiffen mehr bin ich in einem Jahr der König von Wessex.»
«Ich werde es Alfred ausrichten. Vielleicht bringt es ihn ja dazu, dich zuerst anzugreifen.»
«Das wird er nicht tun», sagte Haesten im Brustton der Überzeugung. «Denn wenn er mich angreift, lässt er Haralds Männer ungehindert auf ganz Wessex los.»
Das stimmte. «Und warum greift er dann nicht Harald an?» «Ihr wisst genau, warum.» «Erklär's mir.»
Er hielt inne. Sollte er mir alles offenbaren, was er wusste? Doch dann konnte er der Versuchung nicht widerstehen, mit seinem Wissen zu glänzen. Er benutzte den Dorn, um eine Linie auf die hölzerne Tischplatte zu kratzen, und zog dann einen Kreis, der von der Linie halbiert wurde. «Die Temes», sagte er und tippte auf die Linie; «Lundene», und er zeigte auf den Kreis. «Ihr liegt mit tausend Männern in Lundene. Und dahinter», er deutete etwas flussaufwärts auf die Temes, «hat Lord Aldhelm fünfhundert Mercier. Wenn Alfred Harald angreift, wird er Aldhelms und Eure Männer nach Süden schicken, und das würde Mercien einem Angriff schutzlos preisgeben.»
«Und wer sollte Mercien angreifen?», fragte ich in aller Unschuld.
«Die Dänen aus Ostanglien?», gab Haesten ebenso unschuldig zurück. «Alles, was sie dazu brauchen, ist ein mutiger Anführer.»
«Und unser Abkommen verlangt, dass du nicht in Mercien einmarschierst.»
«So ist es», sagte Haesten mit einem Lächeln. «Nur dass wir noch gar kein Abkommen haben.»
Doch, das hatten wir. Ich musste ihm den
Drachenfahrer
übergeben, und in seinem Kielraum standen vier mit Eisenbändern beschlagene Kisten voller Silber. Das war der Preis. Für das Schiff und das Silber versprach Haesten, aus Wessex abzuziehen und Mercien in Frieden zu lassen. Außerdem erklärte er sich bereit, die Missionare aufzunehmen und mir zwei Jungen als Geiseln zu übergeben. Er behauptete, der eine sei sein Neffe. Das mochte sogar stimmen. Der andere war jünger und in feines Leinen gekleidet, das von einer schweren Goldfibel zusammengehalten wurde. Er sah auffallend gut aus, hatte hellblondes Haar und ängstliche blaue Augen. Haesten stand hinter ihm und legte die Hände auf die schmalen Schultern. «Das hier, Herr», sagte er ehrerbietig, «ist mein ältester Sohn, Horic. Ich gebe ihn Euch als Geisel.» Er unterbrach sich und blinzelte. «Ich gebe ihn Euch als Geisel, Herr, um meinen guten
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