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Das brennende Land

Das brennende Land

Titel: Das brennende Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Ruder einziehen und den
Seolferwulf frei
mit dem Wind fahren lassen. Wir bewegten uns nun nordwärts in den Ozean, in die wütende, windgepeitschte, schiffeverschlingende See. Zu unserer Linken zog niedrig und einförmig die Küste Ostangliens vorbei, zu unserer Rechten verschwamm das graue Meer mit dem grauen Himmel, und vor mir lag das Unbekannte.
    Cerdic war bei mir und Sihtric und Rypere, ebenso wie die meisten anderen meiner besten Männer. Was mich überraschte, war, dass auch Osferth mitkam, Alfreds Bastard. Er war schweigend an Bord geklettert, hatte beinahe als Letzter seine Wahl getroffen, und ich hatte die Augenbraue gehoben, und er hatte mich nur schief angelächelt und seinen Platz auf einer Ruderbank eingenommen. Er hatte neben mir gestanden, als wir die Ruder in dem Gestell befestigten, in dem üblicherweise das Segel an seiner langen Rah liegt, und ich hatte ihn gefragt, ob er sicher war, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
    «Warum sollte ich nicht bei Euch sein, Herr?», hatte er zurückgefragt.
    «Du bist Alfreds Sohn. Ein Westsachse.»
    «Die Hälfte dieser Männer sind ebenfalls Westsachsen, Herr», sagte er mit einem Blick über die Mannschaft. «Vielleicht sogar mehr als die Hälfte.»
    «Dein Vater wird nicht sehr erfreut sein, dass du bei mir geblieben bist.»
    «Was hat er denn schon für mich getan? Er hat versucht,    einen Mönch oder Priester aus mir zu machen, weil er vergessen wollte, dass es mich gibt. Und wenn ich in Wessex geblieben wäre, was hätte ich zu erwarten gehabt? Ehren?» Er lachte bitter und traurig auf.
    «Aber nun wirst du Wessex vielleicht niemals wiedersehen», sagte ich.
    «In diesem Fall danke ich Gott», sagte er, und dann lächelte er ganz unerwartet. «Der Gestank ist weg, Herr», sagte er. «Gestank?»
    «Der Gestank von Lundene», erklärte er, «er ist weg.»
    Und so war es, denn wir waren auf See, und Lundenes Straßen, über denen immerzu der üble Abwassergeruch hing, lagen weit hinter uns. Wir fuhren den ganzen Tag unter Segel und sichteten kein anderes Schiff, mit Ausnahme einiger kleinerer Fischerboote, deren Besatzungen sich beim Anblick unseres grimmigen Wolfskopfes verzweifelt in die Ruder legten, um der vermeintlichen Bedrohung durch den
Seolferwulf zu
entkommen. Am Abend fuhren wir nah an die Küste, holten das Segel ein und ruderten vorsichtig in einen kleinen Wasserlauf, um dort ein Lager aufzuschlagen. Es war spät im Jahr, um eine Reise anzufangen, und die kalte Dunkelheit brach schnell herein. Wir hatten keine Pferde, also konnten wir die Gegend um unseren Landeplatz nicht erkunden, doch ich hegte keine Befürchtungen, weil ich in der Nähe keine einzige Siedlung entdecken konnte. Nur eine schilfgedeckte Hütte lag ein gutes Stück weiter nördlich, und wer immer dort lebte, würde uns mehr fürchten als wir ihn. In weitem Umkreis gab es nichts außer Morast und Schilf und Gras und Wasserläufe unter einem gewaltigen Himmel, über den der Wind die Wolken jagte. Ich sage Lager, doch wir taten    nichts weiter, als Umhänge über die dicke Schwemmlinie aus Wassergras und Treibholz zu legen. Ich postierte Wachen auf dem Schiff und andere an den Ufern der kleinen Insel, und dann zündeten wir Lagerfeuer an und sangen Lieder unter den Nachtwolken.
    «Wir brauchen Männer», sagte Finan, der neben mir saß.
    «So ist es.»
    «Und wo finden wir sie?»
    «Im Norden», sagte ich. Ich würde nach Northumbrien gehen, weit weg von Wessex und seinen Priestern, ich würde dorthin gehen, wo mein Freund eine Festung in einer Flussschleife hatte und mein Onkel eine Festung am Meer. Ich würde nach Hause gehen.
    «Wenn wir angegriffen werden ...», sagte Finan und beendete den Satz nicht.
    «Das werden wir nicht», sagte ich zuversichtlich. Jedes Schiff auf See konnte zur Beute von Piraten werden, doch der
Seolferwulf
war
ein Kriegsschiff, kein Handelsfahrer. Er war länger als die meisten Handelsschiffe, und auch wenn sein Körper breit war, besaß er eine Wendigkeit, die nur Kampfschiffen zu eigen ist. Und aus der Entfernung würde es aufgrund der Anzahl der Frauen an Bord so aussehen, als wäre unser Schiff voll bemannt. Zwei Schiffe gemeinsam konnten es wohl wagen, uns anzugreifen, doch auch das war unwahrscheinlich, solange es leichtere Beute zu machen gab. «Dennoch brauchen wir Männer», stimmte ich Finan zu, «und Silber.»
    Er grinste. «Silber? Was ist denn in dieser großen Kiste dort?» Er machte eine Kopfbewegung in Richtung

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