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Das brennende Land

Das brennende Land

Titel: Das brennende Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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unseres Schiffes, das am Ufer lag.
    «Silber», sagte ich. «Aber ich brauche noch mehr. Viel    mehr.» Er sah mich fragend an. «Ich bin der Herr von Bebbanburg, und um diese Festung zu erobern, brauche ich Männer. Mindestens drei Schiffsmannschaften. Und selbst das genügt vielleicht noch nicht.»
    Er nickte. «Und wo finden wir Silber?»
    «Wir stehlen es natürlich.»
    Er sah in das lodernde Herz des Lagerfeuers hinein, dorthin, wo das Treibholz am hellsten brannte. Manche Leute sagen, dass aus den zuckenden Schatten in diesem glühenden Kern des Feuers die Zukunft herausgelesen werden kann, und vielleicht versuchte er vorherzusehen, was das Schicksal für uns bereithielt, doch dann runzelte er plötzlich die Stirn. «Das Volk hat inzwischen gelernt, sein Silber zu bewachen», sagte er leise. «Es gibt zu viele Wölfe, und die Schafe sind klug geworden.»
    «Das stimmt», sagte ich. In meiner Kindheit, als die Nordmänner nach Britannien zurückkamen, war das Plündern leicht. Sie landeten einfach an den Küsten, töteten, stahlen und zogen wieder ab, doch nun wurde nahezu alles Wertvolle hinter einer Palisade mit Speeren bewacht, auch wenn es noch einige wenige Klöster und Kirchen gab, die ihren Schutz dem angenagelten Gott anvertrauten.
    «Und du kannst nicht von der Kirche stehlen», unterbrach Finan meine Gedanken.
    «Kann ich das nicht?»
    «Die meisten deiner Männer sind Christen, und sie folgen dir, aber nicht durch die Tore der Hölle.»
    «Dann stehlen wir eben von den Heiden», sagte ich.
    «Die Heiden sind selber Diebe.»
    «Dann haben sie auch das Silber, das ich will.»
    «Und was ist mit ihr?», fragte Finan leise mit einem Blick auf Skade. Sie hatte sich in meiner Nähe niedergelassen,    aber hinter dem Ring aus Männern, die ums Feuer saßen.
    «Was soll mit ihr sein?»
    «Die Frauen mögen sie nicht. Sie fürchten sich vor ihr.»
    «Warum?»
    «Du weißt, warum.»
    «Weil sie eine Zauberin ist?» Ich wandte mich nach Skade um. «Skade», fragte ich, «siehst du die Zukunft?»
    Eine Weile sah sie mich nur schweigend an. Ein Nachtvogel schrie in den Marschen, und vielleicht erschreckte sie sein schriller Ruf, denn plötzlich nickte sie knapp. «Ich kann kurze Blicke darauf erhaschen, Herr», sagte sie. «Manchmal.»
    «Dann sag, was du siehst», befahl ich. «Steh auf und erzähl es uns. Erzähl uns, was du siehst.»
    Sie zögerte, doch dann stand sie auf. Sie trug einen schwarzen Wollumhang, der ihren ganzen Körper einhüllte. Mit ihrem schwarzen Haar, das sie in der Art eines unverheirateten Mädchens offen trug, wirkte sie wie ein hochgewachsenes, schlankes Nachtwesen. Ihr bleiches Gesicht schimmerte uns hell entgegen. Der Gesang der Männer wurde leise und erstarb schließlich ganz, und ich sah, wie sich einige Leute bekreuzigten. «Erzähl uns, was du siehst», befahl ich ihr erneut.
    Sie hob ihr blasses Gesicht den Wolken entgegen, und so verharrte sie in langem Schweigen. Dann überlief sie ein Schauer, und ich musste unwillkürlich an Godwin denken, den ich getötet hatte. Es gibt Männer und Frauen, die die Götter flüstern hören, und sie werden dafür von den Menschen gefürchtet, und ich war überzeugt davon, dass Skade Dinge sah und hörte, die uns anderen verborgen blieben.    Dann, gerade als ich dachte, sie würde niemals mehr wieder sprechen, lachte sie laut auf. «Erzähl es uns», sagte ich gereizt.
    «Ihr werdet Armeen anführen», sagte sie. «Heere so groß, dass keine Sonne mehr auf den Boden dringt, und hinter Euch werden die Feldfrüchte üppig gedeihen, weil Ihr die Äcker mit dem Blut Eurer Feinde gedüngt habt.»
    «Und diese Leute?», fragte ich und bezeichnete mit einer weit ausholenden Geste die Männer und Frauen, die ihr zuhörten.
    «Ihr seid ihr Gold-Geber, ihr Herr. Ihr werdet sie reich machen.»
    Gemurmel erklang rund um das Feuer. Das gefiel ihnen. Männer folgen einem Herrn, weil sie sich von ihm Geschenke erwarten.
    «Und woher wissen wir, dass du nicht lügst?», fragte ich.
    Sie breitete die Arme aus. «Wenn ich lüge, dann soll ich jetzt tot umfallen.» Sie wartete, wie um Thor Gelegenheit zu geben, sie mit einem donnernden Hammerschlag zu zerschmettern, doch die einzigen Geräusche waren das Seufzen des Windes im Schilf, das Knacken des brennenden Treibholzes und das Wispern des Wassers, das mit den Gezeiten in den Marschen stieg. «Und du?», fragte ich. «Was ist mit dir?»
    «Ich bin dazu bestimmt, größer als Ihr zu werden, Herr»,

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