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Das brennende Land

Das brennende Land

Titel: Das brennende Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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sagte sie, und einige meiner Leute zischten sie an, doch ihre Worte beleidigten mich nicht. «Und als was, Skade?»
    «Darüber entscheidet das Schicksal, Herr.» Ich bedeutete ihr, sich hinzusetzen. Ich dachte an eine andere Frau, der es gegeben war, die Götter zu belauschen, und die mir vor   Jahren ebenfalls gesagt hatte, ich würde Armeen anführen. Doch in diesem Moment war ich der verachtenswerteste unter allen Männern: ein Mann, der einen Eid gebrochen hatte, ein Mann, der seinem Herrn davonlief.
    Unsere Leute sind durch ihre Eide gebunden. Wenn mir ein Mann seine Treue schwört, kommt er mir damit näher als ein Bruder. Mein Leben ist seines, ebenso wie seines das meine ist. Und ich hatte geschworen, Alfred zu dienen. Daran dachte ich, als die Leute wieder zu singen begannen und Skade hinter mir niederkauerte. Als Alfreds Schwurmann schuldete ich ihm meine Dienste. Doch ich war weggelaufen, und damit hatte ich meine Ehre verloren und mich entwürdigt.
    Doch wir lenken unser Leben nicht. Die drei Spinnerinnen verweben unsere Schicksalsfäden. Wyrd bið ful äraed, sagen wir, und es ist wahr. Das Schicksal ist unausweichlich. Aber wenn das Schicksal entscheidet und die Spinnerinnen wissen, was uns dieses Schicksal bringen wird, warum leisten wir dann noch Eide? Diese Frage hat mich mein ganzes Leben lang verfolgt, und ich bin niemals näher an eine Antwort herangekommen, als zu sagen, dass Männer Eide leisten, obwohl das Schicksal von den Göttern bestimmt wird, weil in diesen Eiden der Versuch des Menschen besteht, selbst über sein Schicksal zu entscheiden. Doch wir können nicht gemäß unseren Wünschen wählen. Einen Eid zu leisten ist, wie einen bestimmten Kurs zu steuern, doch wenn die Winde und Gezeiten des Schicksals zu stark sind, dann verliert das Steuerruder seine Kraft. Also schwören wir unsere Eide und sind dennoch hilflos im Angesicht des Wyrd. Ich hatte meine Ehre verloren, indem ich aus Lundene geflohen war, und dennoch war mir meine Ehre vom Schicksal genommen worden,    und das war ein gewisser Trost in dieser dunklen, kalten Nacht an der Küste Ostangliens.
    Und es gab noch einen weiteren Trost. In der Nacht wachte ich auf und ging zum Schiff. Sein Heck hob sich langsam in der hereinkommenden Flut. «Ihr könnt schlafen», erklärte ich den Wächtern. Unsere Feuer am Ufer glimmten noch, auch wenn sie schon weit heruntergebrannt waren. «Geht zu euren Frauen. Ich bewache das Schiff.»
    Der
Seolferwulf
musste nicht bewacht werden, denn es war kein Feind in der Nähe, doch es ist eine Gewohnheit, Wachen aufzustellen, und so setzte ich mich ins Heck und dachte über das Schicksal und über Alfred nach und über Gisela und Iseult, über Brida und Hild, über all die Frauen, die ich gekannt hatte, und all die Wendungen meines Lebens, und ich achtete nicht auf die leichte Neigung des Schiffs, die jemand verursachte, der über seinen immer noch auf Grund liegenden Bug an Bord kletterte. Und ich sagte nichts, als sich die dunkle Gestalt zwischen den Ruderbänken ihren Weg suchte.
    «Ich habe sie nicht getötet, Herr», sagte Skade.
    «Du hast mich verflucht, Weib.»
    «Ihr wart mein Feind. Was hätte ich sonst tun sollen?» «Und dieser Fluch hat Gisela umgebracht.» «Das war nicht der Fluch.» «Was war es dann?»
    «Ich habe die Götter nur gebeten, Euch in Haralds Gefangenschaft zu bringen», sagte sie.
    Ich sah ihr das erste Mal ins Gesicht, seit sie an Bord gekommen war. «Dieser Fluch hat sich nicht erfüllt», sagte ich.
    «Nein.»
    «Und was für eine Art Zauberin bist du dann überhaupt?» «Eine verängstigte», sagte sie.
    Ich würde einen Mann auspeitschen lassen, der nicht aufmerksam ist, wenn er Wache halten soll, doch in dieser Nacht hätten tausend Feinde kommen können, denn ich tat nicht meine Pflicht. Ich nahm Skade mit in den kleinen Raum unter die Steuerplattform, und ich schob ihr den Umhang von den Schultern, und ich sank mit ihr auf den Boden, und als wir fertig waren, weinten wir beide. Wir sagten nichts, doch wir lagen eng umschlungen. Ich spürte, wie sich der
Seolferwulf
von dem morastigen Ufer hob und leicht an seiner Vertäuung zog, doch ich bewegte mich nicht. Ich hielt Skade an mich gedrückt und wünschte, die Nacht würde niemals enden.
    Ich hatte mir eingeredet, dass ich Alfred verlassen hatte, weil er mir einen Eid abpressen wollte, einen Eid, den ich nicht wollte, den Eid, seinem Sohn zu dienen. Doch das war nicht die ganze Wahrheit. Er hatte eine

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