Das brennende Land
nach Festen, nach Gelächter, nach Ale und Met. Er erließ Regeln und verlangte Unterordnung. Und Regeln und Unterordnung waren genau das, was wir brauchten, wenn wir ihn besiegen wollten.
«Hilf mir», sagte Brida.
Ich schaute zwei Gauklern zu, die brennende Holzscheite in die rauchgeschwängerte Luft warfen. Lachen brandete in dem großen Saal auf, und ich spürte eine Woge von Hass in mir aufsteigen. Hass auf Alfreds schwarzgewandetes Priesterpack, auf diese ganze Sippschaft von lebensverneinenden Kirchenmännern, deren einziges Vergnügen es war, das Vergnügen zu missbilligen. «Ich brauche Männer», erklärte ich Brida. «Ragnar hat Männer.»
«Ich brauche meine eigenen Männer. Ich habe dreiundvierzig. Ich brauche mindestens zehnmal so viele.»
«Wenn bekannt wird, dass du eine Armee auf Wessex führst, werden sie dir folgen.»
«Aber nicht ohne Gold», sagte ich und warf einen Blick zu Skade hinüber, die uns misstrauisch beobachtete und sich fragte, welche Geheimnisse mir Brida ins Ohr flüsterte. «Gold», fuhr ich fort. «Gold und Silber. Ich brauche Gold.»
Das war nicht alles. Ich musste außerdem wissen, ob Bridas Träume von der Niederwerfung Wessex' über Dunholm hinaus bekannt waren. Man brauchte Ragnar nur ein Horn mit Ale zu geben, und er verriet jedes Geheimnis unter der Sonne, und wenn Ragnar auch nur einem Menschen davon erzählt hatte, dann würde Alfred sehr bald von dem Vorhaben erfahren. Deshalb war ich froh, als Offa mit seinen Frauen und seinen Hunden in Dunholm ankam.
Offa war Sachse, ein Mercier und ehemaliger Priester. Er war hochgewachsen, mager und trug eine schwermütige Miene zur Schau. Man konnte glauben, er habe schon jede Tollheit gesehen, die die Welt zu bieten hat. Er war alt geworden, alt und weißhaarig, doch immer noch reiste er mit seinen beiden zänkischen Frauen und einem Rudel abgerichteter Terrier durch Britannien. Er zeigte die Hunde auf Märkten und Festen, wo die Tiere auf ihren Hinterbeinen liefen, miteinander tanzten oder durch Reifen sprangen. Er hatte sogar einen Terrier, der auf einem kleinen Pony ritt, während die anderen Lederkübel herumtrugen, um darin von den Zuschauern Münzen einzusammeln. Es war nicht gerade die atemberaubendste Vorführung, die man sich denken konnte, aber die Kinder liebten die Terrier, und Ragnar war begeistert von ihnen.
Indem er das Priesteramt aufgab, hatte sich Offa die Bischöfe zu Feinden gemacht. Dennoch wurde er von jedem Machthaber in Britannien geschützt, weil er sein Auskommen in Wahrheit nicht mit den Terriern, sondern mit seiner außerordentlichen Fähigkeit zur Beschaffung von Neuigkeiten verdiente. Er unterhielt sich mit jedem, er zog Schlüsse aus dem, was er hörte, und er verkaufte seine Erkenntnisse. Alfred hatte ihn sich über Jahre hinweg dienstbar gemacht. Die Hunde verschafften Offa Eintritt in nahezu jedes hochgestellte Haus in Britannien, Offa saugte jeden Klatsch in sich auf und verbreitete das, was er erfahren hatte, von Machthaber zu Machthaber, und er ließ sich sein Wissen Münze für Münze bezahlen. «Ihr müsst reich sein», sagte ich zu Offa am Tag seiner Ankunft.
«Ihr beliebt zu scherzen, Herr», sagte er. Er hatte sich an einem Tisch vor Ragnars Palas niedergelassen, und seine acht Hunde saßen gehorsam im Halbkreis hinter seiner Bank. Ein Diener hatte ihm Ale und Brot gebracht. Ragnar war von Offas unerwartetem Auftauchen sehr angetan und freute sich schon auf das fröhliche Gelächter, das die Vorführungen mit den Hunden stets begleitete.
«Und wo bewahrt Ihr all das Geld auf?», fragte ich.
«Wünscht Ihr darauf wirklich eine Antwort?» Offa beantwortete die Fragen, die man ihm stellte, aber man musste dafür immer bezahlen.
«Es ist recht spät im Jahr, um noch eine Reise nach Norden zu unternehmen», sagte ich.
«Bisher ist dieser Winter bemerkenswert mild. Und mich haben Geschäfte nach Norden geführt, Herr. Eure Geschäfte.» Er fingerte in einem großen Lederbeutel herum und nahm ein gefaltetes und versiegeltes Pergament heraus, das er mir über den Tisch zuschob. «Das ist für Euch, Herr.»
Ich nahm den Brief in die Hand. Das Siegel bestand aus einem offenbar unberührten Wachsklecks, in den kein Zeichen gedrückt worden war. «Was steht darin?»
«Wollt Ihr damit etwa andeuten, dass ich ihn gelesen habe?»
«Gewiss habt Ihr das. Also erspart mir die Mühe, ihn lesen zu müssen.»
Die Andeutung eines Lächelns glitt über sein Gesicht. «Ich vermute, Ihr
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