Das brennende Land
bevor sie damit angefangen haben, und das bedeutet, dass wir als Erste zuschlagen müssen. Und zwar sehr bald.»
«Bald?»
«Haesten will in Mercien einfallen», sagte sie, und ihre Stimme war nun kaum noch mehr als ein Hauch. «Das wird Alfred dazu zwingen, seine Truppen nördlich der Temes einzusetzen. Wir sollten mit einer Flotte an der Südküste von Wessex landen.» Ihre Finger gruben sich in meinen Arm. «Und nächstes Jahr wird es auch keinen Uhtred von Bebbanburg geben, der Alfreds Land beschützt.»
«Redet ihr beiden immer noch über Gerste?», brüllte Ragnar. «Wie geht es meiner Schwester? Ist sie immer noch mit diesem alten Krüppel von einem Priester verheiratet?»
«Er macht sie glücklich», sagte ich.
«Arme Thyra», sagte Ragnar, und ich dachte, wie merkwürdig doch das Schicksal ist, in welch seltsame Muster es unsere Lebensfäden verwebt. Thyra, Ragnars Schwester, hatte Beocca geheiratet. Sie waren ein so gegensätzliches Paar, wie man es sich kaum vorstellen konnte, und dennoch hatte Thyra das reine Glück gefunden. Und mein Schicksalsfaden? In dieser Nacht war es, als sei meine ganze Welt auf den Kopf gestellt worden. So viele Jahre war es meine beeidete Pflicht gewesen, Wessex zu beschützen, und diese Pflicht hatte ich erfüllt, und nirgendwo besser als bei Fearnhamme. Und jetzt hörte ich Brida den Traum von der Zerstörung Wessex' erzählen. Die Lothbroks hatten es versucht und waren gescheitert, Guthrum war schon beinahe am Ziel gewesen, als er geschlagen wurde, und auch Harald war in sein Verderben gegangen. Und nun wollte Brida Ragnar dazu bringen, Alfreds Königreich zu erobern? Ich betrachtete meinen Freund, wie er laut singend am Tisch saß und mit seinem Ale-Horn den Takt dazu auf die Holzplatte schlug.
«Um Wessex zu erobern», erklärte ich Brida, «brauchst du fünftausend Männer und fünftausend Pferde, und du brauchst noch etwas: Ordnung und Gehorsam.»
«Die Dänen kämpfen besser als die Sachsen.»
«Aber die Dänen kämpfen nur, wenn ihnen der Sinn danach steht», gab ich schroff zurück. Dänische Armeen waren Zweckbündnisse mit Jarls, die ihre Mannschaften an ehrgeizige Männer ausliehen, doch diese Bündnisse fielen im ersten Moment auseinander, in dem es irgendwo leichtere Beute zu machen gab. Sie waren wie ein Rudel Wölfe, das eine Schafsherde angreift, sich aber sofort auflöst, wenn zu viele Hunde die Schafe verteidigen. Dänen und Normannen hielten beständig die Ohren offen, um zu erfahren, in welchem Land leichte Beute zu machen war, und das Gerücht von einem einzigen unbewachten Kloster konnte zwanzig Schiffe auf Raubfahrt locken. Dennoch hatte ich oft genug selbst erlebt, wie leicht die Dänen zurückgeschlagen werden konnten. Könige hatten in der gesamten Christenheit Wehrburgen errichtet, und lange Belagerungen waren nicht nach dem Geschmack der Dänen. Sie wollten schnelle Beute, oder sie wollten sich auf einem fruchtbaren Stück Land niederlassen. Doch die Tage müheloser Eroberungen, ungeschützter Städte und schlecht ausgebildeter Gegner waren lange vorbei. Wenn sich Ragnar oder irgendein anderer Nordmann Wessex holen wollte, musste er eine geordnete Armee gehorsamer Männer führen, die darauf vorbereitet war, einen Belagerungskrieg zu führen. Ich sah meinen Freund an, der sich vollkommen den Freuden des Festes hingab, und konnte mir nicht vorstellen, dass er ausreichend Geduld aufbringen würde, um Alfreds wohldurchdachte Verteidigung niederzuschlagen.
«Aber du könntest es», sagte Brida ganz leise.
«Liest du meine Gedanken?»
Sie beugte sich noch näher zu mir herüber und wisperte: «Das Christentum ist eine Seuche, die sich ausbreitet wie die Pest. Wir müssen sie aufhalten.»
«Wenn die Götter wollen, dass diese Seuche aufgehalten wird, dann werden sie es selbst tun.»
«Unsere Götter feiern lieber ihre Feste. Sie leben, Uhtred. Sie leben und lachen und genießen - und was tut ihr Gott? Er grübelt, er ist rachsüchtig, er sieht finster auf seine Gläubigen herab, er ist ein Ränkeschmied. Er ist ein düsterer und einsamer Gott, Uhtred, und unsere Götter beachten ihn nicht. Doch damit machen sie einen Fehler.»
Ich unterdrückte ein Lächeln. Von all den Männern und Frauen, die ich kannte, fand allein Brida nichts dabei, die Götter für ihre Fehler zu tadeln oder gar zu versuchen, ihre Aufgaben für sie zu übernehmen. Doch sie hatte recht. Der Christengott war düster und bedrohlich. Er hatte kein Verlangen
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