Das brennende Land
sie, und es lag etwas Ahnungsvolles in ihren Worten.
An diesem Abend gab es ein Fest. Ich saß neben Brida. Das Licht der Feuerstelle erhellte ihr eigensinniges, ernstes Gesicht. Manchmal sah sie aus wie Skade, nur älter. Die beiden Frauen hatten selbst sofort erkannt, wie ähnlich sie sich waren, und hatten beinahe gezittert vor Feindseligkeit. Ein Harfenist saß an der Längsseite des Raumes und sang ein Lied über einen Beutezug Ragnars in Schottland, doch seine Worte gingen im Gesprächslärm unter. Einer von Ragnars Männern stolperte zur Tür, aber dann übergab er sich doch, bevor er draußen war. Hunde rannten los, um das Erbrochene aufzulecken, und der Mann setzte sich wieder an seinen Tisch und rief nach mehr Ale. «Wir haben es viel zu behaglich hier», sagte Brida.
«Ist Behaglichkeit denn schlecht?»
«Ragnar ist glücklich», sagte sie so leise, dass ihr Geliebter es nicht hörte. Er saß zu ihrer Rechten, und Skade saß auf seiner anderen Seite. «Er trinkt zu viel», seufzte Brida. «Wer hätte das gedacht?»
«Dass Ragnar gerne Ale trinkt?»
«Dass du eines Tages so gefürchtet bist.» Sie musterte mich, als hätte sie mich noch nie zuvor gesehen. «Ragnar der Ältere wäre stolz auf dich.» Brida war ebenso wie ich in Ragnars Haus aufgewachsen. Wir waren zusammen Kinder gewesen, dann Geliebte, und nun waren wir Freunde. Sie war weise, ganz anders als Ragnar der Jüngere mit seinem Ungestüm und seiner Hitzköpfigkeit, doch er war klug genug, ihren Einsichten zu vertrauen. Ihr größtes Leid war ihre Kinderlosigkeit, wenn Ragnar selbst auch mehr als genug Bastarde in die Welt gesetzt hatte.
Einer dieser Bastarde half während des Festes bei der Bedienung. Ragnar nahm das Mädchen am Ellenbogen. «Gehörst du mir?», fragte er. «Euch, Herr?» «Bist du meine Tochter?» «O ja, Herr!», sagte sie fröhlich.
«Das hab ich mir gedacht», sagte er und klopfte ihr aufs Hinterteil. «Ich mache hübsche Töchter, Uhtred!» «Allerdings!»
«Und schöne Söhne!» Er lächelte vergnügt und stieß einen lauten Rülpser aus.
«Er sieht die Gefahr nicht», sagte Brida zu mir. Sie war die Einzige im Saal, die nicht lächelte, doch für Brida war das Leben schon immer eine sehr ernste Sache gewesen.
«Was erzählst du Uhtred da?», wollte Ragnar wissen.
«Dass uns dieses Jahr die Gerste eingegangen ist», antwortete sie.
«Dann kaufen wir unsere Gerste eben in Eoferwic», sagte er unbekümmert und wandte sich wieder Skade zu.
«Was für eine Gefahr?», fragte ich leise.
Brida senkte erneut die Stimme. «Alfred hat aus Wessex ein mächtiges Land gemacht.»
«Das hat er.»
«Und er ist ehrgeizig.»
«Er hat nicht mehr lange zu leben», sagte ich, «also spielt auch sein Ehrgeiz keine Rolle mehr.»
«Dann gilt sein Ehrgeiz eben seinem Sohn. Er will die sächsische Gesetzgebung nach Norden ausdehnen.» «Stimmt», sagte ich.
«Und das ist eine Bedrohung für uns», sagte sie heftig. «Wie nennt er sich? König der Angelcynn?» Ich nickte, und sie legte mir die Hand auf den Arm und sprach mit drängender Stimme weiter. «In Northumbrien lebt mehr als genug Volk, das Englisch spricht. Er will, dass hier seine Priester und Gelehrten regieren.»
«Stimmt», sagte ich wieder.
«Und deshalb muss er aufgehalten werden.» Sie starrte mich an, ihr Blick zuckte zwischen meinen Augen hin und her. «Hat er dich als Kundschafter hierhergeschickt?»
«Nein», sagte ich.
«Nein», wiederholte sie ruhig. Sie spielte mit einem Stück Brot und ließ ihren Blick über die langen Bänke wandern, an denen grölende Kämpfer saßen. «Es ist ganz einfach, Uhtred», sagte sie bedrückt, «wenn wir Wessex nicht zerstören, dann wird Wessex uns zerstören.»
«Es würde Jahre dauern, bis die Westsachsen in Northumbrien angekommen sind», sagte ich leichthin.
«Und wird das Ergebnis davon besser?», fragte Brida bitter. «Und nein, es würde keineswegs Jahre dauern. Mercien ist gespalten und schwach, und Wessex wird es in den nächsten Jahren schlucken. Und dann marschieren sie in Ostanglien ein, und danach werden sich alle drei Königreiche gegen uns wenden. Und wo die Westsachsen ihren Fuß hinsetzen, Uhtred», ihre Stimme klang nun sehr hart, «da vernichten sie unsere Götter. Sie bringen ihren eigenen Gott mit seinen Geboten und seinem Zorn und der Angst, die er den Menschen einflößt.» Ebenso wie ich war Brida als Christin geboren, später aber zur Heidin geworden. «Wir müssen sie aufhalten, noch
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