Das brennende Land
Farnkraut gegessen und sich den verlausten Kopf gekratzt, und so waren diese Inseln den Christen heilig geworden, obwohl sie keinen echten Nutzen hatten. Nicht einmal für eine Sperrflotte fände ich dort Unterschlupf, weil die Inselchen zu verstreut lagen. Und auch die nördlichste Insel Lindisfarnea taugte nicht dazu. Sie war zwar wesentlich größer, und ich konnte die Überreste des Klosters erkennen, das dort gestanden hatte, aber Lindisfarnea besaß keine Landestelle.
Als ich nach Lindisfarnea hinübersah, musste ich daran denken, wie Ragnar der Ältere dort die Mönche abgeschlachtet hatte. Ich war noch ein Kind gewesen. An demselben Tag hatte mich Ragnar der Ältere Weland töten lassen, einen Mann, der von meinem Onkel geschickt worden war, um mich umzubringen. Ich hatte mit meinem Schwert auf ihn eingehackt und eingestochen, sodass er sich vor Qual auf dem Boden gekrümmt hatte und langsam verblutet war. Ich sah zu der Insel hinüber und dachte an den Tod meiner Feinde, als Ragnar mich am Ellenbogen berührte. «Wir haben sie neugierig gemacht.»
Reiter kamen vom Low Gate her auf uns zu. Ich zählte sie und kam auf etwa siebzig Männer. Offenbar wollte mein Onkel keinen Kampf. Ein Mann mit hundert Kriegern in der Haustruppe verliert nicht gern zehn davon in einem bedeutungslosen Gefecht, also war er mit ebenso vielen Reitern ausgerückt, wie wir bei uns hatten, sodass keine Seite angreifen würde. Ich beobachtete, wie die Reiter hügelan auf uns zukamen. Sie trugen Kettenhemden und Helme, Schilde und Waffen, doch sie hielten ihre Pferde etwa hundert Schritte vor uns an. Nur drei Männer ritten weiter. Sie hatten mit zeremonieller Langsamkeit ihre Schwerter und Schilde abgelegt, bevor sie ihre Gefährten hinter sich ließen. Sie führten kein Banner mit.
«Sie wollen reden», sagte Ragnar.
«Ist das mein Onkel?»
«Ja.»
Die drei Männer hatten ihre Pferde auf halbem Weg zwischen den bewaffneten Gruppen zum Stehen gebracht. «Ich könnte den Bastard jetzt töten», sagte ich.
«Dann folgt ihm sein Sohn als Erbe, und jeder weiß, dass du einen unbewaffneten Mann getötet hast, der einen Waffenstillstand angeboten hatte.»
«Dieser Bastard!» Ich löste meinen Schwertgürtel und warf ihn Finan zu, dann trieb ich mein geliehenes Pferd an. Ragnar kam mit mir. Ich hatte halb gehofft, dass mein Onkel von seinen beiden Söhnen begleitet würde. Denn wenn es so gewesen wäre, dann hätte ich in Versuchung kommen können, sie alle drei zu töten, doch stattdessen waren seine Begleiter zwei hartgesottene Krieger. Zweifellos waren es seine besten Männer.
Die drei warteten in der Nähe eines verwesenden Schafskadavers. Vermutlich hatte ein Wolf das Tier getötet und war dann von Hunden vertrieben worden, und so lag das tote Vieh immer noch da. Maden wimmelten in seinem von Raben aufgehackten Körper, und Fliegen schwärmten über ihm. Der Wind blies den Gestank in unsere Richtung, und das war wohl auch der Grund, aus dem Ælfric diese Stelle gewählt hatte, um auf uns zu warten.
Mein Onkel wirkte sehr vornehm. Er besaß eine sehnige Gestalt und ein schmales Gesicht mit einer langen Hakennase und dunklen, misstrauischen Augen. Nur wenige Strähnen schauten unter seinem Helm hervor, und sie waren vollkommen weiß. Er betrachtete mich in aller Ruhe und zeigte keine Angst. Ich hielt kurz vor ihm an. «Ich vermute, du bist Uhtred», lautete sein Gruß.
«Uhtred von Bebbanburg», sagte ich.
«Dann sollte ich dich beglückwünschen.»
«Wozu?»
«Zu deinem Sieg über Harald. Die Nachricht hat großen Jubel unter guten Christen ausgelöst.»
«Also hast du nicht gejubelt?»
«Jarl Ragnar», Ælfric ging über meine kleine Beleidigung hinweg und nickte meinem Begleiter ernst zu, «Ihr erweist mir Ehre mit diesem Besuch, Herr, aber Ihr hättet mir Euer Kommen ankündigen sollen. Ich hätte ein Festessen für Euch ausgerichtet.»
«Wir bewegen nur etwas die Pferde», entgegnete Ragnar.
«Das tut Ihr aber recht weit von zu Hause weg», sagte Ælfric. «Nicht von meinem», bemerkte ich.
Sinnend richtete mein Onkel seine dunklen Augen auf mich. «Du bist hier immer willkommen, Uhtred», sagte er dann. «Wann immer du nach Hause zu kommen wünschst, komm. Glaub mir, ich werde mich freuen, dich zu sehen.» «Ich komme», versprach ich ihm.
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Mein Pferd stampfte mit einem schlammverklebten Huf auf. Die beiden Reihen gerüsteter Krieger beobachteten uns. Ich hörte die
Weitere Kostenlose Bücher