Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
britischer Kolonien in den Händen staatlich lizenzierter privater Gesellschaften, die von Unternehmer-Imperialisten geführt wurden und deren Aktionäre an Stelle der Steuerzahler das Risiko trugen. Neben Cecil Rhodes’ British South Africa Company zählten hierzu die von George Goldie 1886 begründete Royal Niger Company, die Imperial British East Africa Company und die British North Borneo Company. Allesamt besaßen sie in vollem Umfang die Regierungsbefugnisse für die ihnen zugestandenen Gebiete, bis diese schließlich in den Status von Kronkolonien überführt wurden – die einen früher (Uganda 1894, Kenia 1895, Nigeria 1900), die anderen später (Nord Borneo 1906, Rhodesien 1923/1924).
Diese Verstaatlichungen waren zugleich wichtige Schritte auf dem Weg, die ursprüngliche administrative Vielfalt durch ein einheitliches System der Kolonialverwaltung zu ersetzen, in dem die Kronkolonie und das Protektorat als die musterbildenden Grundtypen dienten. Im Laufe der Zeit wurden Ausnahmeregelungen abgebaut und Sonderentwicklungen ausgeglichen. So mußten die altehrwürdigen westindischen Besitzungen auf ihre noch aus Zeiten des älteren Empire stammenden Repräsentativkörperschaften verzichten, und ursprünglich holländische oder französische Kolonien verloren aus der Zeit ihrer Gründung stammende Privilegien oder Institutionen. Am Ende der Entwicklung stand ein homogener Typ der Kronkolonie, in der ein von London eingesetzter Gouverneur die volle Regierungsgewalt ausübte, wobei ihm in der Regel nominierte Ratsversammlungen zur Seite standen. Die allgemeine Voraussetzung für diese autokratische Herrschaftsform war die Überzeugung der Kolonialherren, daß der ursprünglichen Bevölkerung dieser Gebiete sämtliche Voraussetzungen für die Einrichtung demokratischer Institutionen fehlten.
Neben den Kronkolonien wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert vor allem in Afrika zahlreiche britische Protektorate als Kompromisslösung zwischen förmlicher Annektierung und bloßer auf das Völkerrecht gegründeter Allianz eingerichtet. In diesen Schutzgebieten ging die staatliche Souveränität nicht auf die britische Krone über, sondern verblieb bei den indigenen Herrschern, die sich allerdings dem Schutz der britischen Krone unterstellten und damit de facto auf ihre politische Handlungsfreiheit verzichteten. Auch wenn die überkommene politische Ordnung erhalten blieb, besetzten fortan, wie z.B. in Ägypten, Briten administrative Schlüsselpositionen, und britische Residenten an den Höfen bestimmten die Richtlinien der Politik. Von da aus war es nur ein kleiner Schritt, bis die meisten Protektorate entweder wie Kronkolonien verwaltet oder in solche in aller Form umgewandelt und damit offiziell zu Teilgebieten des Empire und die Einwohner zu britischen Untertanen wurden. In Ägypten, dem Sultanat von Brunei, den malayischen Fürstentümern sowie der Insel Tonga blieb der Protektoratsstatus jedoch bis zum jeweiligen Datum der Unabhängigkeit gewahrt.
Schließlich erhielt Großbritannien noch nach dem Ersten Weltkrieg unter der Ägide des Völkerbunds ehemalige Kolonien der Mittelmächte als sogenannte ‹Mandatsgebiete›, z.T. mit dem ausdrücklichen Auftrag, diese in die politische Selbständigkeit zu überführen. Dazu zählten im Nahen Osten der Irak, Palästina und Transjordanien sowie in Afrika Tanganyika und Teile von Kamerun und Togo. Andere ehemalige deutsche Kolonialgebiete fielen an die Dominions Südafrika (Deutsch Süd-West), Australien (Neuguinea) und Neuseeland (West-Samoa). Ein Teil dieser Mandatsgebiete besaß den Status von Protektoraten (Irak, Palästina, Transjordanien), während die übrigen wie Kronkolonien verwaltet wurden.
Als der Prozeß der allmählichen Vereinheitlichung der britischen Kolonialverwaltung schließlich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts abgeschlossen war, bedeutete dies allerdings nicht das Ende der Tradition imperialer Vielfalt. In der Praxis war die britische Herrschaft in Übersee zu keiner Zeit Ausdruck eines uniformen administrativen Zentralismus; so, wie in London die Zuständigkeiten nicht eindeutig verteilt waren, so führten in der Peripherie die Anlehnung an landesübliche Traditionen oder andere pragmatische Überlegungen zu unterschiedlichen Formen der Machtausübung. Statt allgemein gültige Vorgaben konform umzusetzen, erfolgte die Verwaltung einer britischen Kronkolonie jeweils in Abstimmung mit den maßgeblichen Kräften vor Ort, d.h. im Dialog
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