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Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
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spektakulären Expansionsschub erfuhr. Zwischen den Jahren 1875 und 1900 fügte es seinem Herrschafts bereich insgesamt 90 Mio. neue Untertanen hinzu; vor allem dadurch, daß es aus dem jetzt veranstalteten ‹Rennen um Afrika› (Scramble for Africa) als eindeutiger Sieger hervorgegangen war.
    In diesem Zusammenhang hatte, angesichts wachsender internationaler Rivalitäten, in erster Linie die Sorge um die Sicherheit des Empire und damit um den Erhalt der Großmachtposition als Hauptantriebskraft für weitere territoriale Expansion gewirkt. Ähnlich wie während der Auseinandersetzung mit Frankreich im 18. Jahrhundert neue Territorien zum Schutz bestehender Kolonien annektiert worden waren, verfolgte Großbritannien in vielen Fällen auch im 19. Jahrhundert mit der Einrichtung neuer überseeischer Herrschaftsgebiete eine übergeordnete geopolitische Strategie. Wenn etwa das liberale Kabinett Gladstone nachgerade widerwillig Ägypten unter Kontrolle brachte, dann sollte dies in erster Linie dem Schutz des Suez-Kanals als der für das Empire lebensnotwendigen Verbindungslinie nach Indien dienen.
    Selbstverständlich waren dabei immer auch wirtschaftliche Motive mit im Spiel; Ökonomie und Politik ließen sich hier nicht trennen, vor allem angesichts der Tatsache, daß seit der Mitte des Jahrhunderts der Vorsprung der Industriemacht England gegenüber ihren Hauptkonkurrenten, den USA, Deutschland und Frankreich, zusehends schmolz. Um so wichtiger war es, sich durch das Empire Absatzmärkte und Rohstofflieferungen zu sichern. 1914 mußte Großbritannien die Hälfte der von ihm benötigten Nahrungsmittel importieren, wobei das Empire der Hauptlieferant war, das z.B. 1913 nahezu 50 % des britischen Weizenbedarfs deckte. Gleichzeitig war das ökonomische Interesse an überseeischer Expansion längst nicht mehr auf Handel und Industrie beschränkt. Statt dessen gewann die Suche nach Chancen für profitable Investitionen mehr und mehr an Bedeutung. 1914 war fast die Hälfte von insgesamt 3,7 Mrd. Pfund britischer Kapitalanlagen im Ausland in Ländern des Empire investiert, wo sie den Anlegern eine höhere Rendite als im eigenen Land versprachen.

    Angesichts der vielfältigen ökonomischen Interessen an einer weiteren Expansion des Empire überrascht es nicht, daß auch entschiedene Imperialisten wie Chamberlain oder der Liberale W. E. Forster, denen es um ihre machtpolitischen Fernziele ging, vorwiegend ökonomische Argumente ins Feld führten. So wies Salisbury 1895 darauf hin, daß mit der Annektierung Ostafrikas britischem Handel und britischem Kapital wichtige Zugangswege eröffnet würden, und 1884 hatte der liberale Imperialist W. E. Forster auf einer Konferenz der Imperial Federation League die griffige Formel geprägt, «daß der Handel der Flagge folgt» (‹that trade does follow the flag›); letztlich lassen sich in der Gemengelage der Interessen nur in den seltensten Fällen die ökonomischen und politischen Motive der Expansionspolitik säuberlich voneinander unterscheiden.
    Betrachtet man das Empire auf dem Höhepunkt seiner Ausdehnung, so lassen sich innerhalb des Reichsverbandes drei große Gruppen unterscheiden: 1. das indische Reich als das machtpolitische Zentrum; 2. die ‹weißen› Siedlungskolonien (Kanada, Australien, Neuseeland und die Südafrikanische Union), die sich auf dem Wege zum Dominionstatuts befanden, um die Jahrhundertwende im Zentrum der Pläne für eine Reichsreform standen und die im 20. Jahrhundert das Fundament des Commonwealth bilden sollten sowie 3. das abhängige Kolonialreich, das sich, nach den letzten großen Expansionsschüben, unter geographischen Gesichtspunkten in acht Zonen einteilen ließ:
(1) Die alten, noch aus der Epoche des frühen atlantischen Empire stammenden westindischen Besitzungen: Jamaika, die Bahamas, Bermuda, einige Inseln der kleinen Antillen wie Antigua und Barbados, sowie Britisch Honduras; schließlich seit 1814 Trinidad und seit 1831 Britisch Guyana. – Einst hatten die westindischen Inseln als ‹das strahlende Juwel› des britischen Empire gegolten, aber die Öffnung des Weltmarktes durch den Sieg des Freihandels sowie die Abschaffung der Sklaverei hatten den Verfall des Zuckerrohranbaus und damit den wirtschaftlichen Niedergang der gesamten Region zur Folge, die fortan als der ärmliche ‹Hinterhof des Empire› galt.
(2) Die strategischen Stützpunkte im Mittelmeer: Malta, Gibraltar und seit 1878 auch die Insel Zypern sowie schließlich

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