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Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
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manch erfolgreiches Theaterstück. Gleiches galt für die angesehene Historienmalerei, deren Werke heroische Momente der Geschichte des Empire wie den Tod General Wolfes vor Québec oder Kapitän Cooks Ende auf Hawaii verewigten. Und englische Landschaftsmaler schufen mit ihren Aquarellen und Drucken die Vorlagen für die zeitgenössischen Vorstellungen vom Zauber eines malerischen Indiens. So veröffentlichten z.B. ein gewisser Thomas Darnell und sein Neffe nach siebenjährigem Aufenthalt in Indien zwischen 1795 und 1808 in sechs voluminösen Bänden 1400 Stiche, von denen Turner schwärmte: «Hier spiegelt sich der Osten so klar wie der Mond in einem See.»[ 34 ]
    Trotz solcher offenbar unbestreitbarer Omnipräsenz des Empire in der englischen Öffentlichkeit des 19. Jahrhunderts kann dennoch von einem allgemeinen durchgängigen politischen Interesse an diesem Empire nicht die Rede sein. Obwohl für die große Mehrheit der Briten der Stolz auf das Empire ein wesentliches Element ihres Nationalbewußtseins war – bezeugte es doch die naturgegebene Überlegenheit der britischen Rasse –, handelte es sich hierbei um eine pauschale Begeisterung, die sich weder auf genauere Kenntnisse gründete, noch das Interesse an spezifischen Fragen einschloß. Gerade in der Hochzeit des Imperialismus um die Jahrhundertwende standen für die große Masse der Briten eher persönliche Alltagsprobleme in einer sich verschärfenden wirtschaftlichen Krisensituation im Vordergrund; zudem beanspruchten die wachsenden Spannungen unter den europäischen Mächten zunehmend die Aufmerksamkeit der britischen Öffentlichkeit. Und selbst als zur Zeit des Burenkriegs die große Masse der Besucher Londoner Music Halls begeistert in die Refrains chauvinistischer Gassenhauer mit einstimmte, hieß das nicht, daß diese Leute die Probleme imperialer Politik als die ihren begriffen, wenn sie sangen: «We don’t want to fight: But by Jingo, if we do/We’ve got the men, we’ve got the ships, we’ve got the money, too.»
    Angesichts dieser Situation sahen sich einflußreiche Politiker und Intellektuelle, die im Empire die Basis der britischen Weltmachtstellung erblickten, die es in einer sich wandelnden Welt auszubauen und zu sichern galt, vor die Aufgabe gestellt, über das Empire zu informieren. Die offenkundig vielfältige Präsenz des Empire in der britischen Öffentlichkeit war zum Teil auch das Ergebnis gezielter Werbekampagnen bestimmter Gruppen und Institutionen. War die große Weltausstellung im Londoner Crystal-Palace des Jahres 1851 noch eine allgemeine Leistungsschau der Errungenschaften der Moderne gewesen, rückte in künftigen ähnlichen Veranstaltungen das Empire immer mehr ins Zentrum. So galt 1866 eine Londoner Ausstellung ausdrücklich Indien und den Kolonien, zahlreiche ähnliche Veranstaltungen in der Provinz folgten, und in London wurden sie so populär, daß der Privatmann Imre Kiralfy mit beträchtlichem finanziellem Erfolg Ausstellungen zu den Themen ‹The Empire of India› (1895) und ‹Greater Britain› (1899) veranstaltete. Hier befriedigte das Empire das Interesse am Exotischen, etwa durch die Präsentation ‹lebender Zulukrieger›. Auf seriöser Ebene gipfelte diese Entwicklung schließlich in der großen nationalen Empire-Ausstellung der Jahre 1924/1925 in Wembley.
    Auch das Diamond Jubilee (das 60jährige Regierungsjubiläum) Königin Viktorias feierte England als Leistungsschau des Empire. Den Höhepunkt bildete eine prunkvolle Parade, welche die Macht und Vielfalt des weltweiten Reichs zur Schau stellte: Da zogen australische Kavallerie, Kamelreiter aus dem Nordosten Indiens, Truppen aus Kanada und Natal, Kopfjäger aus Nord-Borneo sowie chinesische Polizisten aus Hongkong am Oberhaupt des Empire vorbei. Bald regte man an, daß britische Schulen fortan den Geburtstag der Königin am 24. Mai als ‹Empire Day› begehen sollten. Überhaupt war die heranwachsende Jugend die bevorzugte Zielgruppe der Empire-Propaganda. Neu begründete Jugendorganisationen wie die Boys Brigade (1883) und die Girls Guides (1912) sollten dazu beitragen, die künftigen Bürger des größten Reiches, das die Welt je gesehen hatte, auf ihre Aufgaben vorzubereiten. Der nachhaltigste Erfolg war auf diesem Gebiet den 1908 durch den Kriegshelden des Burenkrieges Robert Baden-Powell gegründeten Boy Scouts beschieden, deren kurze Hosen und breitrandige Hüte wie auch ihre Aktivitäten in der freien Natur Assoziationen mit dem Dienst an den

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