Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
Vom Netzwerk:
Ebene der Lokalverwaltung, das Mitspracherecht gewählter Körperschaften einzuführen.
    Symptomatisch für die Gegensätze im Bereich der britischen Indienpolitik und weitreichend in ihren Folgen waren die Auseinandersetzungen um die sogenannte Ilbert Bill. Diese Verordnung aus dem Jahr 1883 ging auf eine Initiative von Sir Courtenay Ilbert als Mitglied des Legislativrates des Vizekönigs zurück und stieß nicht nur bei entschiedenen Imperialisten in England, sondern vor allem bei den in Indien ansässigen Briten auf strikte Ablehnung. Mit ihr sollte in ländlichen Distrikten indischen Richtern die Befugnis zugestanden werden, in Strafsachen gegebenenfalls auch über Engländer zu Gericht zu sitzen. Angesichts der geringen Zahl entsprechend ausgebildeter indischer Juristen war dieses Gesetz in erster Linie eine Absichtserklärung, aber unter dem Eindruck wütender Proteste mußte es dahingehend modifiziert werden, daß in solchen Fällen die Geschworenenbank mindestens zur Hälfte mit Briten zu besetzen sei. Damit war offenkundig geworden, daß eine liberale Indienpolitik, die wenigstens auf eine partielle Beteiligung einer modernen indigenen Elite an der Verwaltung zielte, sehr rasch auf den Widerstand derer stieß, die das aus der Eroberung abgeleitete Herrschaftsrecht der Briten nicht durch irgendwelche Formen der Mitbestimmung eingeschränkt sehen wollten und zu diesem Zweck eine unsichtbare, aber in der Praxis nur schwer zu überwindende Rassenschranke errichtet hatten.
    In dieser Situation, in der es Anwälten einer liberalen Indienpolitik wie Lord Ripon zudem an Ansprechpartnern unter den Vertretern der modernen indischen Elite fehlte, kam es zur Gründung des Indian National Congress, aus dem die gleichnamige nationale indische Massenpartei hervorging. 1885 traten in Bombay die Vertreter zahlreicher religiöser, politischer und sozialer Reformbewegungen aus den einzelnen Provinzen zusammen, um eine Gesellschaft mit dem Ziel zu gründen, durch die Diskussion aktueller politischer und sozialer Fragen gegenüber der britischen Kolonialverwaltung wirkungsvoll eine indische öffentliche Meinung zu artikulieren. Dies geschah durchaus im Einvernehmen mit der Regierung des Vizekönigs Lord Dufferin, wobei ein hochrangiges Mitglied des ICS, der Brite Alan Hume, aktiv an der Gründung der neuen Organisation beteiligt war und dann sogar 20 Jahre als deren Generalsekretär fungierte. Desgleichen amtierten auch viermal Engländer als Präsidenten. Entsprechend maßvoll waren zunächst die Resolutionen solcher an jeweils wechselnden Orten abgehaltener Versammlungen. Hier diskutierten in überschaubarer Zahl – der erste Kongreß zählte 70 Teilnehmer – die Vertreter einer schmalen, neuen Führungsschicht auf Englisch über mögliche Formen der Partizipation an der englischen Verwaltung, über Baumwollzölle und die hohen Kosten für eine in englischen Diensten stehende indische Armee. Gleichzeitig konnte man sich durch weitere – allerdings winzige – Schritte in Richtung politischer Repräsentation und Mitbestimmung ermutigt fühlen.
    Den Ansatz hierfür lieferte der Aufbau der Verwaltung, der wie in allen britischen Kolonien auch in den Provinzen Britisch-Indiens und in der Zentralregierung dem Gouverneur beratende Gremien für die Gesetzgebung und für die Exekutive zur Seite stellte. Die Mitglieder dieser councils wurden nicht gewählt, sondern ernannt, die Plätze wurden zum einen Teil mit Amtsinhabern (wie z.B. dem obersten militärischen Befehlshaber), zum anderen mit Privatpersonen von Rang besetzt, darunter neben in Indien ansässigen Briten auch mit Indern. Nun sah ein 1892 vom britischen Parlament verabschiedetes Gesetz (Indian Council Act) vor, daß künftig ein Teil der nichtbeamteten Mitglieder der Legislativräte der Provinzen und der Zentrale, statt wie bisher nominiert zu werden, aus indirekten Wahlen hervorgehen solle. Als danach tatsächlich die bedeutendsten Führer des Kongresses in den erweiterten Legislativrat einzogen, in der Hoffnung, sie könnten dort Mitbestimmung ausüben, schien die Rechnung derjenigen aufgegangen zu sein, die sich vom Kongreß die Funktion eines politischen Sicherheitsventils für eine eventuell überschießende nationale indische Opposition erhofft hatten.
    Doch dergleichen Erwartungen erfüllten sich nicht. Ihnen standen die de facto minimalen Möglichkeiten für eine Einflußnahme indischer Interessen entgegen sowie ein abermaliger Wechsel in der britischen

Weitere Kostenlose Bücher