Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
vor denen sie allein eine weitere Zugehörigkeit zur britischen Staatengemeinschaft bewahren würde.
Im Sog der Entwicklung in Indien war auch die britische Herrschaft über Burma nicht länger aufrechtzuerhalten. Verwaltungstechnisch 1937 von Indien abgetrennt, hatte diese Kolonie in erster Linie als strategisches Vorfeld zum Schutze Indiens dienen sollen und diese Funktion nun eingebüßt. Auch hier beschleunigte die Aussicht auf einen möglichen Bürgerkrieg den britischen Rückzug. Am 4. Januar 1948 wurde Burma unabhängig, erfüllte allerdings nicht die Erwartungen der Regierung Attlee, da es gleichzeitig auf eine Mitgliedschaft im Commonwealth verzichtete.
Anders hingegen gestaltete sich der Prozess der Ablösung in Ceylon, seit Anfang des 19. Jahrhunderts ebenfalls ein Anhängsel des indischen Kolonialreiches. Hier verlief alles nach Plan. Schon frühzeitig waren Reformen durchgeführt worden, die einen allmählichen Ausbau einer Repräsentativverfassung vorbereiteten und durch die sich Ceylon 1939 auf dem Stand der weißen Dominions der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts befand. Eine Volksvertretung, hervorgegangen aus einem weitreichenden einheitlichen Wahlrecht, besaß bereits ausgedehnte Befugnisse auf den meisten Feldern der Politik, und als noch während des Krieges diese Volksvertretung die uneingeschränkte politische Selbstbestimmung forderte, arbeitete der britische Staatsrechtler Sir Ivor Jennings nach einheimischen Vorschlägen eine Verfassung aus. In einem nahezu nahtlosen, konfliktfreien Übergang wurde im Februar 1948 ein selbständiges Ceylon Mitglied des Commonwealth. Da sich aber Großbritannien gleichzeitig durch entsprechende Verträge Einfluß auf die Außen-und Verteidigungspolitik sichern konnte und die britische Marine weiterhin den wichtigen Hafen von Trincomalee als Basis nutzen durfte, galt Ceylon fortan als Modell für künftige Entkolonialisierungen, d.h. für eine Politik, die mit dem Ende der direkten Kolonialherrschaft keineswegs das Ende einer weltweiten britischen Einflußsphäre verband, sondern zugleich auf ein, wie auch immer geartetes «third British Empire» setzte, wie es der spätere Premier Harold Macmillan 1952 formulierte.[ 12 ]
3. IMPERIALES INTERMEZZO IM NAHEN OSTEN
Mit dem Rückzug aus Indien 1947 hatte das britische Kolonialreich sein Gravitationszentrum verloren. Offen blieb nur die Frage, ob und inwieweit ein Britisches Commonwealth an die Stelle des Britischen Empire treten würde. Knapp zehn Jahre später markierte 1956 der Ausgang der Suez-Krise das Ende der britischen Weltmachtstellung – in einer Region, die erst relativ spät begonnen hatte, im Beziehungsgeflecht des Empire eine Schlüsselposition einzunehmen. Hier, zwischen Kairo und Teheran, zwischen Bagdad und Aden, hatte ein letzter Expansionsschub des Empire zu einer Zeit stattgefunden, als die britische Herrschaft in Indien bereits zu bröckeln begann. Vergleichbar einem letzten Vitalitätsschub, den ein todgeweihter Körper kurz vor seinem Ende noch einmal erlebt, erfuhr das Empire in den zwanziger Jahren seine größte territoriale Ausdehnung. Paradoxerweise hatte, trotz des sich abzeichnenden Rückzugs aus Indien, noch einmal dessen Sicherheit, der Schutz der Verbindungswege zu Wasser und zu Lande, den Ausgangspunkt für diese Expansion im Vorderen Orient gebildet; d.h. am Anfang des britischen Interesses an dieser Region hatten nicht ökonomische, sondern machtpolitische Interessen gestanden, und dementsprechend waren die Initiativen nicht von privaten Gruppierungen, sondern von staatlicher Seite ausgegangen.
Wie bereits geschildert, stand Ägypten seit 1882 de facto unter britischer Herrschaft, wobei der Suez-Kanal den Dreh- und Angelpunkt für das britische Engagement bildete. Noch 1921 hieß es auf der Reichskonferenz der Premierminister: «Alles könnte das Empire überleben – nur nicht den Verlust seiner Hauptschlagader.»[ 13 ] Dementsprechend wuchs die strategische Bedeutung Adens als Hafen und Flottenstützpunkt an der Südostspitze Arabiens, in dessen Besitz sich die East India Company bereits 1839 gesetzt hatte und das mit der Auflösung der Gesellschaft 1858 zur britischen Kronkolonie wurde. Der Scheichtümer entlang der arabischen Küste des Persischen Golfs hatte sich die britische Politik zwischen 1820 und 1890 durch entsprechende Verträge versichert. Und am Horn von Afrika nahm man die Aden gegenüberliegende Küste als Ausgangspunkt für die seit 1905
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