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Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
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entlassen, und es blieb deren Herrschern vorbehalten, sich für den Beitritt zu einem der beiden neuen Staaten zu entscheiden. Dieses Zugeständnis hatte die Londoner Labour Regierung der konservativen Opposition gemacht, deren imperialistischer Flügel die indischen Fürsten immer als treue Verbündete geschätzt hatte. Doch die Folgeentwicklung zeigte, daß man die Machtposition dieser Herrscher bei weitem überschätzt hatte. Ökonomische Sachzwänge, das wachsende Nationalgefühl der Bevölkerung sowie besonders die Tatsache, daß die Territorien dieser Fürstentümer ringsum von indischem bzw. pakistanischem Gebiet eingeschlossen waren, sorgten in der Regel für einen raschen und zumeist friedlichen Anschluß an einen der beiden neuen Staaten. Ende 1947 hatten fast alle dieser halbsouveränen Feudalherrscher abgedankt. Als schwierig erwies sich allerdings die Situation in dem mächtigen, mitten in Indien gelegenen Fürstentum Haidarabad, wo ein Moslem als Maharadja über eine Hindu-Bevölkerung herrschte und der Anschluß an Indien mit Waffengewalt erzwungen werden mußte. Noch folgenschwerer war der Status von Kaschmir, wo die Verhältnisse umgekehrt lagen und der Hindu-Herrscher über eine vorwiegend moslemische Bevölkerung den Anschluß an Indien suchte. Als aus dieser Situation heraus der erste bewaffnete Konflikt zwischen Indien und Pakistan entstand, kam es schließlich zu einer Teilung, doch bis heute belastet der ‹Kaschmir-Konflikt› das Verhältnis der beiden Staaten.
    Am Ende hatte auch die Kongreß-Partei in die Teilung Britisch-Indiens eingewilligt, weil sie die Unabhängigkeit nicht durch weitere langwierige Verhandlungen noch länger aufgeschoben sehen wollte. Außerdem strebte sie einen starken, zentralistisch organisierten Staat an als notwendige Voraussetzung für die Realisierung der eigenen innen- und sozialpolitischen Zielsetzungen; eine Föderation mit einer starken moslemischen Minorität hätte hierfür ein unüberwindliches Hindernis dargestellt. Und schließlich setzte man darauf, daß der in eine Ost- und Westhälfte geteilte Staat Pakistan sich auf die Dauer als nicht lebensfähig erweisen werde. Nicht umsonst hatte der Kongreß es entschieden abgelehnt, den neuen Staat ‹Hindostan› zu nennen, sondern darauf bestanden, mit der Bezeichnung ‹Indien› den unverminderten Anspruch auf das alleinige Recht, die indische Nation zu repräsentieren, anzumelden.
    Angesichts der Entschlossenheit Großbritanniens, auf alle Fälle einen bewaffneten Konflikt zu vermeiden, da ein indischer Freiheitskampf England die Kosten eines letztlich nicht zu gewinnenden Kolonialkrieges aufgebürdet hätte, war der zuletzt fluchtartige Rückzug aus Indien aus britischer Sicht durchaus als Erfolg zu werten. Doch für Millionen von Indern brachte die Teilung des Landes zunächst Tod, Flucht oder Vertreibung mit sich. Denn mit der Verwirklichung des Teilungsplans verblieben immer noch ca. vierzig Mio. Muslime in Indien, denen Djinnah als künftiger erster Präsident Pakistans zwar den guten Rat erteilt hatte, fortan loyale Staatsbürger Indiens zu sein, die sich aber, ebenso wie Hindus jenseits der Grenzen, dennoch vielfachen Verfolgungen ausgesetzt sahen. Wohl zehn Millionen begaben sich auf die Flucht, Hunderttausende starben in Massakern, vor allem in den Grenzregionen, in Bengalen und im Pandschab. Das prominenteste Opfer dieses Mordens war Gandhi, der, als er zum Frieden und zur Versöhnung aufrief, am 30. Januar 1948 in Delhi von einem fanatischen Hindu erschossen wurde. Doch ungeachtet all dessen überwog auf beiden Seiten schon bald Erleichterung; in Pakistan darüber, daß man die Eigenständigkeit erreicht und in Indien darüber, daß die britische Kolonialherrschaft ihr Ende gefunden hatte.
    In London war man zufrieden, daß die ursprünglich gesetzten Ziele zumindest teilweise erreicht waren. Ein nicht nur kostspieliger, sondern letztlich nicht zu gewinnender Kolonialkrieg, wie er später Frankreichs Rückzug sowohl aus Indochina als auch aus Algerien begleiten sollte, war vermieden worden. Und obwohl man der Teilung des Landes hatte zustimmen müssen, blieben sowohl Indien als auch Pakistan als Mitglieder des Commonwealth der ehemaligen Kolonialmacht zunächst noch verbunden. Dies war vor allem dem Verhandlungsgeschick Mountbattons zu verdanken, der beiden Nachfolgestaaten des ehemaligen Kolonialreichs die Gefahren künftiger Isolation und drohender Balkanisierung vor Augen geführt hatte,

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