Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
Oberhoheit zu ersetzen. Als Lawrence von Arabien wurde er nach Kriegsende für die britische Öffentlichkeit zur Kultfigur – die Verkörperung englischen Heldentums in der exotischen Welt des Orients –, doch er selbst floh in die Anonymität eines einfachen Soldaten aus Enttäuschung darüber, daß er seine arabischen Freunde und damit seine Sache durch die britische Politik verraten sah.
Denn 1916 hatten Briten und Franzosen in einem Abkommen über die politische Neuordnung des Vorderen Orient zwar den Arabern «einen unabhängigen Staat»[ 14 ] in Aussicht gestellt, doch als Prinz Faisal, der Sohn des Scherifs von Mekka, nach dem siegreichen Einzug seiner Truppen in Damaskus die Einlösung dieses Versprechens forderte, standen dem die handfesten Interessen der Mandatarmächte entgegen. Um nicht vollends wortbrüchig zu werden, fanden die Briten ihre Verbündeten mit der Herrschaft über den Irak und Transjordanien ab, die als zwei neue Staaten aus ihrem Mandatsgebiet herausgeschnitten wurden. Der Irak, der Faisal als Königreich zugesprochen wurde, bestand im wesentlichen aus der alten Provinz Mesopotamien, der die Briten im Norden die Provinz Mosul hinzufügten, wo kürzlich reiche Ölvorkommen entdeckt worden waren. Diese Grenzziehungen implizierten, daß zu dem bereits bestehenden Völkergemisch aus sunnitischen und schiitischen arabischen Moslems sowie Juden und Christen nun auch Kurden und Türken hinzukamen, so daß dieser Staat vollends zu einem Flickenteppich verschiedener ethnischer und religiöser Gruppierungen wurde. Die daraus resultierenden Spannungen entluden sich schon bald, als sich sowohl die Kurden wie auch die assyrischen Christen blutigen Verfolgungen durch die Muslime ausgesetzt sahen. Kein Wunder, daß König Faisal, an der Spitze einer sunnitischen Machtclique stehend, sich eng an die Briten anschloß und ihnen, als sie 1932 ihre Funktion als Mandatsmacht offiziell beendeten, weiterhin gestattete, Militärbasen im Land zu unterhalten, die Ölfelder in Norden zu kontrollieren und hinter den Kulissen als ‹Berater› erheblichen Einfluß auf die Politik auszuüben. Während des Zweiten Weltkrieges war der Irak angesichts der durch den deutschen Vormarsch in Nord-Afrika drohenden Gefahr abermals vorübergehend von britischen Truppen besetzt (1941–1945). Auch danach blieben britischer Einfluß und britische Vorbilder noch lange Zeit wirksam, wie nicht allein der Schnitt der Militäruniform Saddam Husseins und seiner Soldaten illustrierte.
Von dem britischen Mandatsgebiet der ehemals türkischen Provinz Palästina wurde 1921 der östliche Teil abgetrennt, um als neuer Staat Transjordanien Abdallah, dem Bruder Faisals, als Königreich zugesprochen zu werden. Ohne eigene Machtbasis in diesem Landstrich schloß sich dieser Herrscher ebenfalls eng an Großbritannien an. Entsprechende Verträge des Jahres 1923 sowie Subsidienzahlungen sicherten auch hier die indirekte Herrschaft der Briten, bis das Land 1946 als Königreich Jordanien die volle Souveränität erlangte.
Wesentlich komplizierter gestalteten sich die Verhältnisse für den britischen Mandatar im eigentlichen Palästina. Hier lebten um die Mitte des 19. Jahrhunderts etwa 10.000 Juden, die meisten von ihnen in Jerusalem. Nicht zuletzt dank der großzügigen finanziellen Unterstützung des Pariser Bankiers Edmond de Rothschild wuchs in der Folgezeit die Zahl derer, die ‹ins gelobte Land Zion› heimkehrten, und damit auch die Zahl der jüdischen Siedlungen außerhalb der heiligen Stadt. 1896 veröffentlichte Theodor Herzl, der Begründer des politischen Zionismus, seine Schrift Der Judenstaat, in der er die Schaffung eines unabhängigen jüdischen Staates auf nationaler Grundlage forderte und zugleich auf Palästina als die unvergessene historische Heimstatt der Juden hinwies. Ein Jahr später tagte in Basel unter Herzls Leitung der erste zionistische Weltkongreß, der «die Schaffung einer öffentlich-rechtlichen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina» forderte. Doch da eine entsprechende Charta vom türkischen Staat nicht zu erhalten war, ging Herzl auf einen Vorschlag Joseph Chamberlains ein, der ihm in Uganda Siedlungsraum für eine Million Juden mit weitgehenden Rechten auf Selbstverwaltung anbot. Nicht zuletzt wegen Herzls frühem Tod 1904 scheiterte dieses Projekt, und Palästina blieb weiterhin das Ziel der Zionisten. Der Strom der Einwanderer wuchs weiter – vor allem infolge der wiederholten Pogrome in
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