Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
existierende Kronkolonie British-Somaliland in Besitz. Dann löste der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, mit dem das osmanische Reich sich auf die Seite der Gegner Großbritanniens schlug, einen weiteren Expansionsschub aus. Die Tatsache, daß Ägypten offiziell immer noch eine türkische Provinz war, lieferte den Anlaß, jetzt das Land dem Empire in aller Form als Protektorat einzugliedern. Zwar scheiterte der direkte Angriff der Truppen des Empire auf die türkische Schlüsselstellung der Dardanellen bei Gallipoli 1915 unter schweren Verlusten, doch andererseits gelang es nach anfänglichen Fehlschlägen, die arabischen Provinzen des türkischen Reiches zu erobern. Am 11. März 1917 erreichten die Briten, vom Persischen Golf her vordringend, Bagdad, und eine Anfang November vom Suezkanal her eröffnete britische Offensive gipfelte am 8. Dezember in der Räumung Jerusalems durch die Türken. 1907 hatte man sich mit den Russen über ‹Einflußzonen› in Persien geeinigt, doch nachdem 1917 die russischen Truppen infolge der Revolution aus der Region abgezogen worden waren, hielt England ganz Persien besetzt. Damit war zu guter Letzt eine durchgehende Landverbindung nach Indien hergestellt.
Allerdings mündeten die militärischen Siege nicht in formale Annexionen der eroberten Gebiete. Wenn hier keine neuen britischen Kolonien entstanden, so u.a. deswegen, weil der mächtige amerikanische Verbündete den Krieg als einen Feldzug für die Freiheit und Selbstbestimmung der Völker geführt hatte. Zudem sah sich Großbritannien in einer Zeit knapper werdender Ressourcen nicht mehr in der Lage, sein Kolonialreich noch weiter auszudehnen. Andererseits aber strebte man durchaus nach zumindest indirekter politischer Kontrolle der gesamten Region, denn zu den ursprünglichen strategischen Überlegungen traten immer stärker auch ökonomische Interessen. Inzwischen war nämlich die britische Textilindustrie weitgehend von der ägyptischen Baumwolle abhängig. Darüber hinaus entdeckte man, daß entlang des durch den Nahen Osten nach Indien führenden Landweges die reichsten Erdölvorkommen der Welt auf ihre Ausbeutung warteten. Damit war nicht nur die Begehrlichkeit privater Interessengruppen geweckt – schon vor Kriegsausbruch erwarb Winston Churchill als Marineminister 51 % der Anteile der Anglo-Persian Oil Company, da er kurz zuvor angeordnet hatte, die Kriegsmarine von Kohle auf den Brennstoff Erdöl umzustellen.
Anfangs leiteten die Briten aus der militärischen Okkupation von Feindesland einen Rechtsanspruch auf politische Kontrolle der ehemaligen Provinzen des osmanischen Reiches ab (Occupied Enemy Territories Administration – OETA); nach Kriegsende wurde in Ausführung des Artikels 22 der Völkerbundssatzung Großbritannien das Mandat für den südlichen Teil der von türkischer Herrschaft befreiten arabischen Gebiete als «a sacred trust of civilization» zugesprochen, d.h. als treuhänderischer Auftrag mit der Maßgabe, diese Länder alsbald in die politische Unabhängigkeit zu entlassen. Hierbei mußte man sich allerdings mit Frankreich arrangieren, das ebenfalls alte Rechte auf den Vorderen Orient als sein Einflußgebiet anmeldete und das 1920 Syrien und den Libanon als seine Mandatsgebiete erhielt.
Südlich davon schufen die Briten in ihrem Mandatsbereich praktisch drei neue Staaten: den Irak, Palästina und Transjordanien. Die Lage war dadurch zusätzlich kompliziert, daß sie während des Krieges sowohl den nach politischer Selbstbestimmung strebenden Arabern als auch den in Palästina auf die Errichtung eines eigenen Staates drängenden Zionisten Zusicherungen gegeben hatten, die sie nach 1918 nur unter Schwierigkeiten und dann auch nur teilweise einhalten konnten. Hatten doch arabische Guerrillakrieger unter der Führung Hussein Ibn Alis, des Scherifen von Mekka aus dem Hause der Hashemiden, wesentlich zu den Erfolgen des Feldzugs beigetragen, der schließlich in der Eroberung von Jerusalem gipfelte. Hier hatte der exzentrische, im Auftrag des britischen Geheimdienstes handelnde Orientalist T. E. Lawrence eine wesentliche Rolle gespielt. Wie ein Araber gekleidet und mit ihnen zwei Jahre in ihren Zelten lebend, überzeugte er die Stämme davon, daß ein Aufstand gegen die türkischen Machthaber zugleich ein Kampf für die Freiheit der Araber sei und wies gleichzeitig seine Landsleute darauf hin, daß die Araber keineswegs dafür fochten, lediglich die türkische Herrschaft durch eine britische
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