Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
allmählich durch das Protektorat über weite Strecken des Hinterlandes erweitert wurde, bis gegen Ende des Jahrhunderts das alte und früher mächtige Königreich Aschanti im Zuge der imperialistischen Expansion 1900 mit Waffengewalt zum Anschluß gezwungen wurde. 1904 fixierte man die endgültigen Grenzen der Kronkolonie, von der aus seit 1919 auch der westliche Teil der ehemals deutschen Kolonie Togo mitverwaltet wurde. Noch vielfältiger war die Ausgangslage in Nigeria, der volkreichsten Kolonie Afrikas, die 1948 ca. 30 Mio. Einwohner zählte. Anfangs hatte Großbritannien hier 1861 die Hafenstadt Lagos annektiert und dann in den 80er Jahren das Gebiet des Nigerdeltas. Ansonsten betrieb in diesem Raum die private Royal Niger Company das Geschäft der weiteren Expansion in das Hinterland. Als 1900 deren Charta nicht erneuert wurde, errichtete der von nun an in staatlichem Auftrag handelnde Frederick Lugard z.T. mit Waffengewalt bis 1903 die britische Herrschaft über das Sultanat von Sokoto und dessen Emirate. Damit setzte sich der britische Herrschaftsbereich in dieser Region aus einer Kronkolonie (Lagos) und den beiden Protektoraten Süd- und Nord-Nigeria zusammen, bis 1914 dann zumindest nominell der Zusammenschluß zu einer einzigen Kolonie erfolgte, der 1919 im Osten dann auch noch das Mandat über einen Teil der ehemals deutschen Besitzung Kamerun angeschlossen wurde. Hinzu kam die ausgeprägte ethnische Vielfalt. Im überwiegend islamischen Norden stellen die Haussa die größte Volksgruppe, im Süd/Osten bilden die Ibo, im Süd/Westen die Yoruba die Mehrheit. Zudem hatte sich, ähnlich wie in den übrigen westafrikanischen Kolonien, im Küstenbereich auf Grund der dort intensiveren und bereits länger etablierteren Präsenz der Kolonialherren und der damit verbundenen fortgeschrittenen Urbanisierung eine neue, sich europäischen Einflüssen öffnende Mittelschicht gebildet, während im agrarischen Hinterland die traditionellen Stammes-Strukturen fortbestanden.
Wenn bereits die Differenzen und Spannungen zwischen indigenen Volksgruppen die Umwandlung von Kolonien in souveräne Staaten erheblich erschwerten, so war die Lage erst recht kompliziert in Gebieten, wo weiße, d.h. in der Regel britische Siedler, zahlreich vertreten waren und naturgemäß erwarteten, daß ihre privilegierte Position durch den Rückzug der Kolonialmacht nicht in Frage gestellt werde. Dies galt für Kenia, wo 1930 zwölftausend Weiße 16.700 Quadratmeilen Land besaßen, während 2,8 Mio. Schwarzen 53.000 Quadratmeilen zur Verfügung standen. Noch gravierender war dieses Mißverhältnis in der seit 1889 von Rhodes’ British South African Company in Besitz genommenen Region, aus der nach ihrer Auflösung die Kolonie Süd-Rhodesien hervorgegangen war. Dort hatten die weißen Siedler, deren Zahl (schließlich 35.000) niemals 5 % der Bevölkerung überschritt, die Hälfte des bebaubaren Landes, und zwar des fruchtbarsten Teils, in Besitz genommen. In den ostafrikanischen Kolonien kam seit der Jahrhundertwende noch eine beträchtliche indische Minorität hinzu. Wie bereits in Südafrika stellten indische Einwanderer die wichtige Gruppe der Händler, Kleinunternehmer und Handwerker. 1931 zählte man knapp 40.000 von ihnen in Kenia, 24.000 in Tanganyika und 13.000 in Uganda, die in den künftigen Auseinandersetzungen zwischen die Fronten geraten sollten, denn während sie von den weißen Siedlern keineswegs als gleichberechtigt akzeptiert wurden, blieben sie für die Afrikaner Eindringlinge aus der Fremde, die sich aus ihrer Sicht auf Kosten der Einheimischen bereicherten.
Wenn sich in anderen Kolonien nicht das Problem des Ausgleichs des ökonomischen und sozialen Gefälles zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen stellte, da die Armut allgegenwärtig und somit gleichmäßig verteilt war, dann war es überhaupt fraglich, ob die Wirtschaftskraft des Landes eine ausreichende ökonomische Basis für politische Selbständigkeit liefern könne. Dies galt z.B. für Tanganyika, einst als Deutsch-Ostafrika eine prosperierende Siedlerkolonie, die sich jedoch von den Folgen der hier vier Jahre währenden Kampfhandlungen nicht mehr erholt hatte. Besonders als der Markt für Sisal, den Hauptexportartikel der Kolonie, zusammenbrach, zählten die sieben Mio. Einwohner des Landes zu den ärmsten in Ost-Afrika. Und in Njassaland herrschte eine vergleichbare Ausgangslage. Dessen Bevölkerung war weitgehend darauf angewiesen, durch Arbeit in den
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