Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
das Land seinem Schicksal – dem nun unvermeidbaren Krieg zwischen Arabern und Juden, aus dem schließlich um den Preis der Flucht und Vertreibung von 750.000 Arabern der Staat Israel hervorging.
Im Zentrum des britischen Interesses an der Region des Nahen Ostens stand durchweg Ägypten, das Land des Suez-Kanals als des wichtigsten Verbindungsweges zwischen der Metropole und dem indischen Reich. Nachdem es 1882 unter britische Kontrolle geraten war, lieferte Ägypten ein Musterbeispiel für die Effizienz indirekter britischer Herrschaft, bis es nach der Kriegserklärung der Türkei 1914 als Protektorat dem Empire eingegliedert wurde. Doch als sich 1919 massenhafter nationaler Widerstand gegen die britische Herrschaft formierte, entließ London 1922 formal das Land in die Unabhängigkeit, die sich allerdings de facto auf die inneren Angelegenheiten beschränkte. In der Außenpolitik, der Verteidigung sowie die besonderen Beziehungen zum Sudan betreffend behielt Großbritannien die Kontrolle. In einem weiteren Vertrag von 1936 erhielt Ägypten endlich die volle Befehlsgewalt über die eigene Armee, und die britische militärische Präsenz wurde in Friedenszeiten auf die Kanalzone begrenzt. Für Zeiten des Krieges behielten sich die Briten allerdings weitergehende Rechte vor, und diese wurden auf drastische Weise ausgeübt, als der britische Botschafter 1942 gepanzerte Fahrzeuge vor dem Palast des ägyptischen Königs Faruk auffahren ließ, um diesen davon abzuhalten, mit den von Libyen her vordringenden Deutschen gemeinsame Sache zu machen.
Auch nach dem Krieg, und selbst als die britische Herrschaft über Indien ihr Ende gefunden hatte, hielt das strategische Interesse am Suezkanal angesichts der Bedeutung der Öltransporte aus dem Persischen Golf unvermindert an. Noch 1954 war dort eine Garnison von ca. 80.000 Mann in einer Militärbasis von der Größe der Grafschaft Wales stationiert. Im selben Jahr sicherte London allerdings der neuen revolutionären ägyptischen Regierung unter Oberst Nasser zu, alle Truppen aus der Kanalzone bis zum Sommer des Jahres 1956 abzuziehen. Danach sollte Großbritannien noch für fünf weitere Jahre das Recht zustehen, im Falle eines direkten Angriffs auf Ägypten den Stützpunkt zu remilitarisieren; eine Klausel, die deutlich machte, daß auch mit seinem Rückzug aus Ägypten Großbritannien keineswegs seine Interessen in der Region aufgab und die im Oktober 1956 dann den fadenscheinigen Rechtstitel für jene folgenschwere militärische Aktion lieferte, die das Ende der britischen Weltmachtstellung einleitete.
Den Anlaß lieferte die Verstaatlichung der Suez-Kanal-Gesellschaft durch Ägypten im Juli 1956. Dies war Nassers Antwort darauf, daß die USA ihre ursprüngliche Zusage der Finanzierung des für Ägyptens Wirtschaft so bedeutsamen Assuan-Staudamms zurückgezogen hatten, als Nasser nicht bereit war, sich im kalten Krieg eindeutig auf die Seite des Westens zu schlagen. Nicht nur weil die Mehrzahl der Aktien der Kanalgesellschaft in britischem Besitz war und weil der Kanal das Herzstück des Transportweges für die Ölimporte bildete, sondern auch angesichts des symbolträchtigen Stellenwerts, den er im Verbundsystem des Empire seit seiner Eröffnung besessen hatte, war die britische Regierung entschlossen, es nicht beim verbalen Protest zu belassen. Außerdem stellte Nasser für den konservativen Premier Eden so etwas wie eine Reinkarnation Hitlers dar, und Eden beschwor deswegen die Briten, nicht noch einmal die Fehler der Appeasement-Politik der 30er Jahre zu wiederholen. Im Oktober war England soweit, gemeinsam mit Frankreich und Israel den militärischen Schlag zu führen. Ein israelischer Vorstoß auf dem Sinai lieferte Briten und Franzosen den Vorwand, zum ‹Schutz des Kanals› ägyptische Flughäfen zu bombardieren und am 5. November mit Luftlandetruppen die Kanalzone zu besetzen. Doch unmittelbar auf den militärischen Erfolg folgte die diplomatische Niederlage. In völliger Verkennung der amerikanischen Position hatte London zumindest auf die stillschweigende Billigung der USA gesetzt. Doch statt dessen stellte sich die Regierung Eisenhower an die Spitze weltweiter Empörung über Großbritanniens Rückgriff auf die Mittel rüder imperialistischer Machtpolitik. Tatsächlich hatte der konservative Abgeordnete Morehouse im britischen Parlament zuvor die Regierung aufgefordert, ein Kanonenboot nach Ägypten zu entsenden. Doch der Erfolg von 1882 ließ sich 1956
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