Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
Ernte bescherte, die am Thanksgiving Day mit Truthahnbraten gefeiert wurde, war die Gefahr einer Hungersnot erst gebannt, als man auch hier vom Prinzip der kollektiven Bewirtschaftung abging und den einzelnen Familien eigene Landparzellen zuteilte. Von nun an stellte sich bescheidener Wohlstand ein, der es der Kolonie ermöglichte, bis 1642 ihre Schulden allmählich abzulösen. Ihre Bevölkerung war nun auf 3000 Einwohner gewachsen, doch ihr offizielles Verhältnis zu England blieb weiterhin ungeklärt, so daß diese erste puritanische Musterkolonie schließlich gegen Ende des 17. Jahrhunderts in der großen Nachbarkolonie Massachusetts aufging.
Deren Gründung entsprang den gleichen Motiven, welche die Pilgerväter zum Exodus veranlaßt hatten. Im Jahr 1629 erhielt eine Gruppe von Londoner Kaufleuten und Mitgliedern der ostenglischen Gentry als Massachusetts Bay Company eine königliche Charter für die Gründung eines «New England» in der nordamerikanischen Küstenregion. Eben in diesem Jahr hatte König Karl I. verkündet, fortan ohne die Mitwirkung eines Parlaments regieren zu wollen, wodurch sich nun auch einflußreiche Puritaner, wie z.B. der Landedelmann und Advokat John Winthrop, der erste Gouverneur der neuen Kolonie, in ihrem Entschluß, um ihres Glaubens willen das Land zu verlassen, bestärkt sahen. Und nachdem die ersten Siedler 1629 in der Nähe des heutigen Boston ihre Niederlassung errichtet hatten, setzte im Laufe der folgenden Jahre ein wahrer Massenexodus in Richtung Amerika ein, der bis zum Ausbruch des englischen Bürgerkrieges 1642 andauerte und an dessen Ende die neue Kolonie bereits ca. 12.000 Einwohner zählte.
Die etwa im Vergleich zu Virginia relativ rasche Konsolidierung von Massachusetts hatte mehrere Ursachen. Zwar war die mit der Gründung betraute Gesellschaft auch hier eine kommerzielle Organisation, und auch hier waren angesichts der wirtschaftlichen Krise in England ökonomische Motive durchaus von Bedeutung. Und schließlich ließen sich Gewinnstreben und puritanische Religiosität vortrefflich miteinander vereinbaren, solange sich die Früchte wirtschaftlichen Erfolgs nicht in sündhaftem Lebenswandel, sondern in sinnvollen weiteren Investitionen niederschlugen. Ausschlaggebend für die Mehrheit der Gesellschafter und der Auswanderer aber war der Wunsch, sich zur Bewahrung des wahren Glaubens eine neue Heimat zu schaffen. Wer von der Hoffnung auf raschen materiellen Gewinn getrieben nach Virginia ging, war durchaus bereit, gegebenenfalls als reicher Mann in die Heimat zurückzukehren. Wer in die puritanischen Kolonien auswanderte, wollte dort ein neues England schaffen, das zwar in mancher Hinsicht das alte England kopierte, dennoch aber ein gottgefälliges England sein sollte.
Der Absicht, in Amerika zu siedeln, entsprach die demographische und soziale Struktur der puritanischen Emigration. Unter den Auswanderern nach Neuengland befanden sich wesentlich häufiger als auf den Schiffen mit Kurs Virginia Selbständige, die auf eigene Kosten mit Familie, Dienstboten, Vieh und Ausrüstung aller Art nach Amerika zogen. Wenn auch nur selten, wie bei den Pilgrim fathers, eine ganze Gemeinde in die unbekannte Fremde aufbrach, so waren es doch oft Gruppen aus lokalen oder regionalen Nachbarschaftsverbänden speziell Ostenglands, die in der neuen Heimat gemeinsam siedelten und zwar nicht in vereinzelten Plantagen, sondern vorwiegend in geschlossenen Ortschaften, die oft schon bald städtischen Charakter annahmen. Dementsprechend stellten nicht adlige Abenteurer und vor allem mittellose Arme das Gros der Einwanderer, sondern Angehörige des bäuerlichen und gewerblichen Mittelstandes. Denen kam darüber hinaus zu Gute, daß bei dieser Koloniegründung die Phase der kollektiven Bewirtschaftung von kommunalem Eigentum übersprungen wurde und von Anbeginn jeder Siedler auf seinem Grund und Boden nach eigenem Gutdünken schalten und walten konnte. Sehr eindringlich hat später der große amerikanische Epiker James Fenimore Cooper die Lebenswelt der frühen puritanischen Einwanderer und deren Kämpfe gegen die Indianer, mit denen sie ihre gewaltsame Landnahme sicherten, in seinem Roman The Wept of Wish-Ton-Wish beschrieben.[ 4 ]
Dabei profitierten die Siedler Neuenglands davon, daß Gott – wie John Winthrop feststellte – «die Eingeborenen auf wundersame Weise durch eine Epidemie dezimiert (hat), wodurch der größere Teil des Landes leer von Bewohnern ist»,[ 5 ] so daß zunächst
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