Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
Glaubensgenossen in Amerika ein Refugium zu bieten, wobei es ihm allerdings im Gegensatz zur Intoleranz der Puritaner von Massachusetts lediglich darum ging, mit seiner Gründung die Voraussetzungen für ein Miteinander von Katholiken und Protestanten ohne gegenseitige Diskriminierung zu schaffen. Da Calvert starb, noch ehe König Karl I. seinem Wunsch nachkommen konnte, erhielt 1632 sein Sohn Cecilius ein Patent, das ihm das Land zwischen dem 40. Breitengrad im Norden und dem Potomac im Süden in Form eines königlichen Lehens zur Besiedlung übereignete. Die neue Kolonie wurde nach der Königin Maryland genannt.
Als Eigentümer der neuen Kolonie blieb Calvert zwar Untertan der englischen Krone, aber der Kolonie gegenüber, deren Boden er übrigens persönlich zeitlebens nie betreten hatte, war seine Position ursprünglich die eines nahezu autokratischen Herrschers. Formal versuchte man dabei an feudale Strukturen anzuknüpfen, indem das Land in große Herrengüter (manors) aufgeteilt werden sollte, aus denen der Kolonialherr seine Renten bezog und die ihrerseits von den Pächtern einzelner Parzellen bewirtschaftet wurden. Darüber hinaus besaß der Eigentümer das Recht, Städte und Häfen zu gründen, Steuern zu erheben und die Ausübung der Religion zu kontrollieren. Durch die symbolische Gabe von jährlich zwei Pfeilen an den Monarchen hatte er seinerseits seine Lehnstreue gegenüber dem König zu bezeugen.
In der Realität wurden jedoch solche teils hehren, teils antiquierten Grundsätze bald obsolet. Die Praxis feudaler Grundherrschaft ließ sich angesichts offenkundig unbegrenzter Möglichkeiten des freien Landerwerbs nicht wiederbeleben, so daß die ursprünglichen Latifundien schon sehr bald in individuelle Gehöfte und Plantagen zerfielen. Auch befanden sich die katholischen Siedler schon frühzeitig in der Minderzahl, und die zahlreichen Vertreter eines durchaus aggressiven Protestantismus ließen Baltimores Vision einer säkularen Gesellschaft, in der Religion reine Privatsache ist, schon bald als Utopie erscheinen, wenn auch, aufs Ganze gesehen, die Katholiken sich hier in einer besseren Position befanden als irgendwo sonst im Herrschaftsbereich der englischen Krone.
Im übrigen glichen sich die Verhältnisse in Maryland zunehmend denen der Nachbarkolonie Virginia an. Vor allem im Bereich der Wirtschaft war beiden die Konzentration auf den Tabakanbau gemeinsam sowie eine vergleichbare Bevölkerungsstruktur mit einem Verhältnis von Männern und Frauen in der Proportion 3: 1 und einem hohen Anteil an indentured servants. Auch die Verfassung wies Parallelen auf, da die Charter der Eigentümerkolonie für die Verabschiedung von Gesetzen ebenfalls die Zustimmung einer Delegiertenversammlung vorsah. Und selbstverständlich blieben beide Kolonien in der Praxis ihrer Selbstverwaltung dem Recht und den Gesetzen des Königreichs England verpflichtet.
Die Karibik
Mit der Gründung der Eigentümerkolonie Maryland endete die erste Phase der englischen Landnahme im Bereich der nordamerikanischen Küstenregion. England hatte dabei zwar die theoretischen Machtansprüche Spaniens auf das gesamte Gebiet westlich der Linie von 1494 ignoriert, bestehende spanische Gründungen wie z.B. in Florida jedoch stets respektiert. Allerdings hatte sich die englische Expansion im frühen 17. Jahrhundert nicht nur auf das amerikanische Festland beschränkt, sondern erfaßte auch den Archipel der westindischen Inseln und drang damit unmittelbar in spanisches Gebiet ein. Denn schon bald nach den Fahrten des Kolumbus hatten die Spanier die vier großen westindischen Inseln Kuba, Hispaniola, Porto Rico und Jamaika besetzt. Doch danach konzentrierten sie ihr Interesse auf ihr mittel- und südamerikanisches Kontinentalreich. Während dort reiche Beute auf die Eroberer wartete, entstand in der Karibik ein Machtvakuum, das sich zu einem Zentrum von Piraterie und Schmuggel entwickelte. Vor allem hatte Spanien darauf verzichtet, die Inselkette der Antillen in Besitz zu nehmen, und hier suchten die Engländer, z.T. gemeinsam mit Franzosen und Holländern, zuerst Fuß zu fassen. 1624 entstand die erste englische Siedlung auf St. Kitts und drei Jahre später auf dem völlig unbewohnten Barbados, das wesentlich günstigere Voraussetzungen bot. Obwohl hier die Initiative von einem englisch-holländischen Konsortium von Kauf- und Finanzleuten ausging, erhielt 1628 der Earl of Carlisle von Karl I. eine Charter als Eigentümer von Barbados und
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