Das Bronze-Bataillon
um eine vierläufiges, schweres Perlkugelgewehr und eine Plasma-Kanone, die auf die Tür respektive die nächstgelegene Kabine gerichtet waren. Falls sich irgendwelche Enterer ihren Weg durch die Wand schneiden sollten, dann wartete eine unangenehme Überraschung auf sie.
Roger hatte sich inzwischen ein wenig mit seinem Raumanzug beschäftigt und herausgefunden, dass – so eine Überraschung! – das Komm nur die Notfrequenz der Garde nutzte. Es war ein unverzeihlicher Tabubruch, etwa vergleichbar damit, die eigenen Kinder zu verspeisen, diese Frequenz in einer anderen Situation als einem echten Notfall zu verwenden. Das gehörte zu den (wenigen) Dingen, die Roger während seines obligatorischen Martyriums auf der Akademie recht schmerzlich hatte lernen müssen. Und da die beiden Soldaten hier sich ihm gegenüber nicht feindselig verhielten – sie schienen nur sehr, sehr auf seine Sicherheit bedacht –, galt das vermutlich nicht als ›echter‹ Notfall. Also: kein Kommunikator.
Demnach konnte er sich jetzt den Kopf darüber zerbrechen, was hier wohl gerade vor sich gehen mochte, praktisch ohne jegliche Daten zur Verfügung zu haben. Es gab noch Luft, aber die Notbeleuchtung brannte. Er griff nach den Verschlüssen an seinem Schutzanzug, um den Helm abzunehmen, doch einer der gepanzerten Marines tippte ihm gegen die Hand, um ihn davon abzuhalten. Diese Berührung hatte wohl eigentlich ›höflich, aber bestimmt‹ wirken sollen, doch die Pseudo-Muskulatur der Panzerung verwandelte sie in einen recht schmerzhaften Schlag.
Roger rieb sich die Fingerknöchel und beugte sich so weit vor, das sein Helm den des Marines berührte.
»Wären Sie wohl so freundlich, mir zu verraten, was zum Teufel hier los ist?«
»Captain Pahner hat gesagt, wir sollen warten, bis er hier eintrifft, Euer Hoheit«, erwiderte eine weibliche Sopranstimme, durch den Helm grässlich verzerrt.
Roger nickte und lehnte sich wieder gegen das Schott, schüttelte dann den Kopf in seinem Helm, damit sein Pferdeschwanz endlich glatt lag. Also: entweder hatte ein Putsch stattgefunden, an dem auch Pahner beteiligt war, oder es war eine Notsituation eingetreten, und Pahner würde Roger einen vollständigen Bericht abliefern, statt ihn mit einer durcheinandergeratenen Schilderung aus zweiter oder dritter Hand abzuspeisen.
Wenn Letzteres zutraf, na schön. Dann konnte Roger sich hier ein wenig die Beine in den Bauch stehen (obwohl er saß) und würde dann irgendwann erfahren, wo das Problem lag. Wenn es allerdings Ersteres war … Er blickte zu dem gepanzerten Marine hinüber, der die Perlkugelkanone auf die Tür richtete. Roger hatte wahrscheinlich nicht den Hauch einer Chance, ihm diese Waffe zu entreißen und Pahner damit zu töten – aber wenn wirklich ein Putsch stattgefunden haben sollte, dann war ein Prinzen-Leben sowieso keinen Pfifferling mehr wert. Dann konnte Roger genauso gut wie ein echter MacClintock enden.
Geistig ging er noch einmal jeden einzelnen Schritt der jüngsten Ereignisse durch und stellte fest, dass der Boden nicht mehr vibrierte. Das im Hintergrund ständig zu vernehmende Summen der verschiedenen Lebenserhaltungs- und Antriebssysteme war ihm so vertraut geworden, dass er es schon gar nicht mehr bewusst wahrgenommen hatte; doch jetzt, da es verstummt war, fiel das Fehlen der gewohnten Geräuschkulisse umso deutlicher auf. Wenn diese Systeme ausgefallen waren, dann steckten sie wirklich in ernstlichen Schwierigkeiten … aber wenigstens sprach das gegen die
›Putsch‹-Theorie.
Dann dachte er über die beiden Soldaten nach, die ihn aus dem Bett gezerrt hatten. Sie hatten ihn in einen Schutzanzug gesteckt und zehn Minuten lang buchstäblich auf ihm gesessen, bis endlich jemand aufgetaucht war, der sie abgelöst hatte. Und sie selbst hatten keine Schutzanzüge getragen! Hätte die Kabine Druck verloren, dann wären sie eines schnellen, aber sehr unschönen Todes gestorben. Also dachten zumindest diese Privates, er sei es wert, ihn am Leben zu erhalten. Das sprach ebenfalls gegen die ›Putsch‹-Theorie.
Außerdem hatten sie ihr Leben riskiert, um ihn zu beschützen, und auch wenn die Bereitschaft, das Leben aufs Spiel zu setzen oder gar zu verlieren, um die Sicherheit ihrer Schutzbefohlenen sicherzustellen, natürlich seitens der Kaiserlichen Familie erwartet wurde, hatte Roger sich doch noch niemals zuvor in einer Notsituation befunden. Es hatte noch niemals eine Situation gegeben, in der das Leben einer seiner
Weitere Kostenlose Bücher