Das Buch aus Blut und Schatten
Wänden, ganz anders als die Kirchen unserer Kindheit mit ihrem goldverzierten Putz und dem Meer aus Regenbogenglas.
Der Rabbi erwartete uns im Innern. Er stand ganz vorn am Altar und gebot uns, am Eingang stehen zu bleiben. Sein Deutsch war flüssig, ohne den Akzent eines Juden.
â Ich habe diese Zusammenkunft auf Geheià eines treuen Freundes gewährt. Doch wenn ich noch mehr gewähren soll, werdet ihr mich überzeugen müssen.
Ich fiel auf die Knie.
â Ich komme zu Euch im Namen von Edward Kelley, im Namen von Cornelius Groot und im Namen des Kaisers. Wir bitten Euch um eine Handvoll der heiligen Erde, die Ihr mit dem Geschenk des Lebens versehen habt.
â Erhebt Euch, mein Kind. Hier knien wir nur vor dem Herrn.
Seine Stimme strich über mein Gesicht wie eine Feder. Ich erhob mich.
â Nur Gott kann das Geschenk des Lebens gewähren. Ich bin nur eine Art Verbindung zu Seiner Gnade. Etwas zu erschaffen, bringt mich dem Schöpfer näher und aus dieser Vereinigung entstand ein Wunder. Ein Geschenk, das meinem Volk gegeben wurde. Warum sollte ich es mit Euch teilen?
â Nicht mit mir, Sir. Mit dem Kaiser.
â Ihr sprecht für den Kaiser?
Sein Blick durchbohrte meine Verkleidung, durchbohrte meine Haut und meine Knochen und drang geradewegs zu meiner Seele vor. Ich konnte nicht lügen.
â Ich spreche für das hehre Wissen und das Streben nach Gnade. Ein Streben, dem sich der Kaiser anschlieÃen wird, wenn die Zeit gekommen ist.
Ich wusste nicht, woher diese Worte gekommen waren.
â Der Kaiser hat viel für mein Volk getan. Ihr dagegen nichts. Noch nicht.
Er schlug einen Handel vor. Die Gegenleistung für das, was wir suchten, war ein goldener Kelch, den der Kaiser in seiner Kunstkammer hatte. Der Kelch hatte angeblich Josef von den zwölf Stämmen Israels gehört und war ein unbezahlbares Kleinod. Und jeder, der ihn zu stehlen versuchte, war des Todes.
Max erklärte, dass damals jeder, der etwas auf sich hielt, so eine Kunstkammer â auch Wunderkammer genannt â hatte, die mit Gemälden, getrockneten Pflanzen und Hörnern von Einhörnern vollgestopft war. Sammeln war in. Aber dieser Kaiser hatte es wohl etwas damit übertrieben, denn sein Schloss war so was wie ein Messie-Lager hoch drei, nur dass die schwankenden Stapel aus Kronkorken, Magazinen und leeren Toilettenpapierrollen bei ihm mit Rubinen besetzt waren.
â Ihr könnt dem Kaiser sicher erklären, dass dies nur ein geringer Preis ist.
Wieder spürte ich seinen bohrenden Blick auf mir, doch was hätte ich ihm sagen sollen? Dass der Kaiser meinen Vater ermordet und sein Land gestohlen hatte, dass ich, obwohl mein Vater mir befohlen hatte, ihm dieses, das gröÃte Geschenk, anzubieten, ein anderes Geschenk vorgezogen hätte, eines, das sein letztes sein würde?
Als Thomas und ich über die Steinbrücke zurück zur Malá Strana gingen, verzweifelte er.
â Es gibt keinen Weg in die Kunstkammer. Selbst die engsten Berater des Kaisers haben ohne seine Erlaubnis keinen Zutritt.
â Es gibt einen Weg.
Doch beim Gedanken daran wurde mir übel.
Ich sagte ihm nicht, was ich vorhatte, erst am nächsten Morgen, als die Entscheidung schon getroffen war, erzählte ich es ihm. Ich bin versucht, es Dir, Bruder, zu verschweigen, da ich weiÃ, wie Du zu Don Julius stehst, und Du weiÃt, dass ich der gleichen Meinung bin, doch glaub mir, wenn ich sage, dass ich keine andere Wahl hatte. Und Du weiÃt, dass Don Julius mir jeden Gefallen tut. Ich gebe gern zu, dass er mir früher das Herz erweichen konnte, doch jetzt nicht mehr. Als er noch ein Kind war und in die Schlafgemächer der Damen spähte, als er Eichhörnchen in der Sonne röstete, deren Pelz blutverkrustet war von dem Stock, den er ihnen in die Seite gestoÃen hatte, als er mir tote Vögel in vergoldeten Kästchen als Geschenk brachte, konnte man das noch entschuldigen. Die Mutter eine Magd, der Vater ein Kaiser, die Herkunft ein offenes Geheimnis und doch hartnäckig verschwiegen, kann es kein leichtes Leben für ihn gewesen sein. Doch jetzt ist er älter, und obwohl ich ihm zwei Jahre voraushabe, überragt er mich um Haupteslänge. Er jagt den Frauen bei Hofe Angst ein, weil er sie anstiert, und nicht wenige behaupten, dass er mehr tut als stieren. Seine Hände sind wahre Pranken und sein Atem stinkt nach Zwiebeln und Fisch.
Doch sein
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