Das Buch aus Blut und Schatten
auf uns. Max war verschwunden.
Ich rief trotzdem bei sämtlichen Krankenhäusern an. Aber ich wusste schon, was sie sagen würden.
4 Also.
Chris war nicht mehr da.
Max war nicht mehr da.
Die Hleda Ä i waren hinter uns her â sie waren hinter mir her.
Und dann war da noch die Sache mit meinem angeblichen Schicksal.
»Rede mit mir«, verlangte Adriane. Eli stand vor der Tür Wache. Ob er sie nicht hereinlassen oder uns nicht herauslassen wollte, wusste ich nicht. Adriane hatte einen Spaziergang machen wollen, nur wir beide â zu gefährlich, sagte Eli. Nicht ohne ihn. Adriane fing an, mit ihm zu streiten, ich hatte keine Lust darauf. Die Tür war verriegelt, das Kissen roch nach Max. Ich wollte bleiben.
Also warf sie Eli aus dem Zimmer.
»Bitte«, sagte sie. »Sag was.«
Irgendwas, dachte ich. Aber ich schaffte es nicht. Ãber Nacht hatten sich an meinem Hals blaue Flecken in der Form von Daumenabdrücken gebildet. Ich war gezeichnet.
Sie strich mir übers Haar. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Es tut mir so leid.«
Ich lief auf einem Drahtseil und durfte nicht zulassen, dass sie mich hinunterstieÃ. Ich durfte nicht fallen.
»Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass du herkommst«, sagte sie. »Wir hätten jetzt schon zu Hause sein können. Es hätte alles schon wieder normal sein können.«
Damit meinte sie, dass das alles meine Schuld war. Ich hatte Chris zum Tod verurteilt, als ich ihm den Brief gegeben hatte. Und bei Max war es genauso gewesen. Vielleicht dachte sie, dass sie die Nächste war.
Sie umarmte mich, schlang ihre Arme um meinen steifen Körper. Ich könnte für immer hier sitzen bleiben, dachte ich. Einfach starr werden, verschwinden. Mal sehen, wie ihr das gefiel.
Adriane begann zu weinen.
»Bitte nicht«, sagte ich.
Ich konnte nicht.
Mehr Tränen flossen. Sie drehte ihr Gesicht weg und verschränkte die Arme vor der Brust. »Er ist nicht tot.«
»Doch. Ist er.«
»Nora, ich weiÃ, dass das verrückt klingt, aberâ¦Â«
»Nein.«
»Du weiÃt doch gar nicht, was passiert ist.«
»Wir wissen beide, was passiert ist«, widersprach ich. »Wir können doch nicht⦠ich kann nichtâ¦Â« Dieses Mal umarmte ich sie. Sie zitterte in meinen Armen, versuchte angestrengt, Luft zu holen. »Ich kann nicht so tun, als wäre es nicht passiert. Bitte zwing mich nicht dazu.«
»Okay.« Ich spürte, wie sie einen tiefen Atemzug nahm, dann noch einen. SchlieÃlich löste sie sich von mir. Die Tränen waren versiegt. »Okay. Wenn du es so willst.«
Sie musterte mich mit einem langen, abschätzenden Blick. »Du musst mal zum Friseur.«
Fast hätte ich gelacht. »Ich muss mal unter die Dusche.«
»Das auch.«
»Allerdings nicht so dringend wie du.«
»Das, Nora, ist eine bemerkenswert zutreffende Erkenntnis.«
»Du gehst zuerst«, meinte ich. »Ist schon okay.«
»Sicher?«
Ich nickte.
»Ich will dich hier nicht allein lassenâ¦Â«
»Das Bad ist am Ende des Flurs. Und selbst du schaffst es nicht, länger als eine halbe Stunde zu duschen.«
Sie grinste matt. »Das hätte ich jetzt nicht gesagt.« Sie suchte ein paar frische Sachen und ein Handtuch zusammen, blieb dann aber mit der Hand auf dem Türknauf stehen. »Es ist nicht okay«, meinte sie. »Ich versteh das. Du weiÃt , dass ich das verstehe. Aber es wird okay sein. Du wirst okay sein.«
»Versprochen?«
Sie nickte.
»Jemand hat mal gesagt, dass ich neunzig Prozent von dem, was du sagst, ignorieren soll.«
Ihr Lächeln verschwand. »Er hätte auf seinen Rat hören sollen.«
5 Ich musste es vergraben. Ich musste es irgendwo verstecken, tief genug, um den Schrei zu ersticken. Das war alles. Das einfache Rezept dafür, nicht verrückt zu werden, dafür, einen Fuà vor den anderen zu setzen. Die einzige Möglichkeit, meinen Verstand zu behalten. Weiterzuleben.
Wenn ich überhaupt weiterleben wollte.
6 »Komm rein«, sagte ich zu Eli.
Er kam rein.
»Setz dich«, sagte ich zu ihm und auch das tat er. Er hockte sich etwas steif auf den alten Heizkörper unter dem Fenster.
Ich setzte mich auf das Bett und versuchte, nicht Max einzuatmen. Adriane würde nicht lange weg sein. Ich musste mich konzentrieren.
Ich war in einem fremden Land, mit einem Jungen, den ich noch keine vier
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