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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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standen und Adriane und ich uns zitternd aneinanderschmiegten und Eli ein Messer, von dem ich gar nicht gewusst hatte, dass er es besaß, in eine Scheide steckte und sich Blut vom Hals wischte, während die Nacht zu still und unser Atem zu laut war, erst da stellte ich die Frage, auf die ich die Antwort nicht hören wollte, nicht zu hören brauchte.
    Â»Wo ist er?«
    Doch ich wusste es schon. Ich wusste es, als ich die Augen in der plötzlich viel zu hellen Nacht öffnete und Adrianes bleiches, verängstigtes Gesicht und Elis rasende Wut sah, als ich die Feiglinge in ihren Kapuzenkutten sah, als ich sah, was nicht mehr da war.
    Ich wusste es, als ich seinen Schrei hörte. Und das Platschen.
    Und danach die Stille.



 
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    IV. TEIL
    Im Zwielicht von Feuer und Tau
    Menschen, die über dunkle Brücken gehn
vorüber an Heiligen
mit matten Lichtlein.
Wolken, die über grauen Himmel ziehn
vorüber an Kirchen
mit verdämmernden Türmen.
Einer, der an der Quaderbrüstung lehnt
und in das Abendwasser schaut,
die Hände auf alten Steinen.

F RANZ K AFKA
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1 Was wir nicht taten:
    Die Polizei rufen.
    Max suchen.
    Nach Hause gehen.
    2 »Bist du okay?«
    Adriane fragte immer wieder.
    Â»Ja«, antwortete ich manchmal. Vielleicht war ich ja tatsächlich okay. Ich atmete. Ich bewegte mich und redete, ich verarbeitete eine Realität nach der nächsten, egal, ob es mir passte oder nicht.
    Â»Ich weiß nicht«, sagte ich manchmal. Es fühlte sich an, als würde der Arm immer noch auf meiner Kehle liegen. Als würde ich immer noch davonschweben.
    Â»Wird schon wieder«, sagte ich manchmal.
    Â»Hör auf, mich das zu fragen«, sagte ich manchmal.
    Irgendwann hörte sie dann auf zu fragen.
    3 Wir schliefen eng aneinandergekuschelt. Und das war das Sonderbare daran: Wir schliefen tatsächlich.
    Eli nicht.
    Wir waren in den Goldenen Löwen zurückgekehrt, weil wir sonst nirgendwohin konnten und weil wir, wie er sagte, schon tot wären, wenn sie gewusst hätten, wo sie uns finden konnten. Unsere Zimmertüren waren noch abgeschlossen, unsere Sachen alle noch da. Wir schlossen uns zusammen in einem Zimmer ein und verbarrikadierten die Tür. Eli setzte sich daneben auf den Boden, lauschte, wartete, sein Messer in der Hand, Wächter unseres Schlafes. Als ich aufwachte, war er immer noch dort.
    Wir suchten nach Max. Natürlich suchten wir nach Max. Ich zwang die anderen, mit mir zur Brücke zu gehen, nachdem wir uns stundenlang in der kalten Dunkelheit versteckt und in einem panischen Flüstern darüber gesprochen hatten, was passiert war und was als Nächstes passieren würde.
    Was passiert war. »Es war Eli«, sagte Adriane. Nicht Eli hat sie aufgehalten oder Eli hat uns gerettet , weil es nicht so gewesen war. Er hatte sie nicht schnell genug aufgehalten, er hatte nicht alle von uns gerettet. »Er ist irgendein durchgeknallter Ninja oder so was in der Art.«
    Â»Ich dachte, wir wären tot. Alle«, erzählte sie. »Aber dann drehe ich mich um und plötzlich macht er einen Salto und hat ein Messer in der Hand, das er wie ein Schwert benutzt. Und dann hat er mit allen auf einmal gekämpft.«
    Â»Sechs Mann«, wunderte ich mich. »Gegen einen.«
    Â»Max hat versucht, dich zu beschützen«, fuhr sie fort. »So ist es passiert. Sie haben sich gewehrt und er ist von der Brücke gefallen.«
    Â»Es ging so schnell«, sagte sie.
    Â»Er war einfach weg. Von einem Moment zum anderen«, sagte sie.
    Ich stellte keine Fragen.
    Eli ging auf und ab, bereit für den Kampf. Als keiner kam, zwang ich ihn, zur Brücke zurückzugehen, dann zum Fluss darunter. Sonst geh ich allein, drohte ich und keiner der beiden protestierte. Adriane hörte nicht auf, mich zu berühren, eine Hand auf meinem Rücken, eine Schulter an meiner Schulter, ein Arm, der sich bei mir untergehakt hatte. Und ich ließ sie, weil es gut war zu wissen, dass sie da war. Weil es schwer war, nicht zu denken: Und dann waren es nur noch zwei.
    Am Ufer der Moldau war keine Leiche angeschwemmt worden, kein Polizeiboot suchte das Wasser ab. Keine Sirenen kreischten, keine Warnlichter zuckten. Kein Tourist beugte sich über das Geländer und starrte auf den Fluss. Niemand griff uns an. Die Brücke war einfach nur eine Touristenattraktion, die so spät fast menschenleer war. Max war nicht da. Max wartete nicht

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