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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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riskieren würden, von der Schule zu fliegen, weil wir unseren Aufpassern entwischen müssten, um in einen Zug in die Tschechische Republik zu steigen und uns in einer fremden Stadt bis zu einer dunklen Ecke durchzuschlagen, wo wir darauf warten würden, dass etwas passierte. Ich wollte es ihr sagen, wenn wir im Flugzeug saßen, damit sie und ich so wenig Zeit wie möglich hatten, um es uns anders zu überlegen, obwohl ich genau wusste, dass ich die Einzige sein würde, die Zweifel haben würde. Falls meine Eltern pro forma etwas gegen die Reise nach Paris hatten, würde ich argumentieren, dass räumlicher Abstand mein Trauma lindern würde und ich mit einem Ozean zwischen mir und jener Nacht vielleicht endlich anfangen konnte, das Ganze zu vergessen. Natürlich waren sie nicht so dumm, dass sie mir das glauben würden – aber sie waren auch nicht so dumm, mit mir darüber zu streiten.
    Der Hoff, der von den Hleda č i gewusst und sich solche Mühe gegeben hatte, es mir zu erzählen, hatte mir ein Versprechen abgenommen: nicht gehen. Aber er war ein kranker alter Mann mit Gift im Gehirn, außerdem konnte er nicht gewusst haben, was geschehen würde oder was ich würde tun müssen.
    Ich musste gehen. Ich musste etwas tun; Zweifel hin oder her, ich wollte es jetzt durchziehen.
    Weil das letzte lateinische Wort in Max’ Nachricht eines war, für das ich kein Wörterbuch brauchte, um es zu verstehen.
    Adiuva.
    Hilfe.



 
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    III. TEIL
    Herr der stillen Sterne
    O lieber Faust, laß die verruchte Kunst,
Die Magik, die zur Hölle dich verlockt
Und der Erlösung gänzlich dich beraubt.
Hast du auch gleich gesündigt wie ein Mensch,
Beharre nicht darin gleich einem Teufel.

D OKTOR F AUSTUS
C HRISTOPHER M ARLOWE
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1 Die Abschlussklasse war jetzt schon betrunken. Vielleicht nicht durch Alkohol, obwohl ich ziemlich sicher war, dass das, was Brett Craig und seine »Kumpelz« da mit grenzenloser Begeisterung in sich hineinkippten, kein Gatorade war. Adriane hatte mir schon vor langer Zeit beigebracht, dass man nur ein bisschen Lebensmittelfarbe brauchte, um Wodka wie diese radioaktive Pisse aussehen zu lassen. Und es waren nicht nur die »Kumpelz«, die schon mal für zukünftige Studentenverbindungspartys übten, sondern auch die Snobs mit ihren Lederkoffern voller Schuhe und Daddys Kreditkarten im Portemonnaie, die Kiffer vom Parkplatz, deren nervöse Blicke immer wieder zu den Sicherheitsbeamten und ihren Hunden huschten, die Sportskanonen, die sich auf Essen, Wein und Schlaf freuten, was eine lang ersehnte Zäsur zwischen dem Training der letzten vier Jahre und dem der nächsten sein würde, und sogar die Streber – meine angeblichen Artgenossen – mit ihrer bereits gesicherten College-Zukunft, die ihre Bleistifte mit Härtegrad zwei in den Papierkorb geworfen hatten und jetzt endlich einmal Gefahr liefen, einen negativen Eintrag in ihre Schulakte zu bekommen. Alle ohne Ausnahme waren wie berauscht von ihren vermeintlichen Heldentaten. Das Gate der Air France und die Aussicht auf das, was uns nach unserem Sieben-Stunden-Flug erwartete, hatten das Wunder vollbracht, das unzählige Schulveranstaltungen zur Stärkung des Zusammenhalts unter den Schülern nicht bewerkstelligen konnten: Die Klasse mit ihren grundverschiedenen, scharf abgegrenzten und gelegentlich miteinander im Krieg liegenden Fraktionen war zu einem homogenen, unterschiedslosen Ganzen verschmolzen. Und dann gab es da noch mich. »Ich kauf mir nur schnell eine Flasche Wasser für den Flug.«
    Â»Soll ich mitkommen?«, fragte Adriane.
    Sollte sie nicht.
    Ich mochte den Flughafen; ich mochte es, allein im Flughafen zu sein, anonym in einer anonymen Menge. Ich mochte, dass er im Grunde genommen nicht mehr als ein Warteraum war, ein Nicht-Ort, der gar kein Ort war, sondern ein Tor zum Nicht-Hier. Wenn man sich sämtliche regionale Eigenheiten wie die Red-Sox-Banner und die Snackbars mit Muschelsuppe wegdachte, konnte es jeder x-beliebige Flughafen sein, mit der immer gleichen Werbung für Mobiltelefone und Banken an den Wänden, den immer gleichen überteuerten kleinen Läden und salmonellenverseuchten Sandwich-Theken, den immer gleichen Hinweistafeln, die einen darüber informierten, was man mit Sprengstoff, Waffen und Shampooflaschen tun sollte, den immer gleichen blinkenden Anzeigetafeln, den immer gleichen

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