Das Buch Der 1000 Wunder
einhüllenden Eispanzer von 31 Metern Dicke abzuschmelzen. Wenn die Sonne nicht wäre, würde die mittlere Jahrestemperatur in Europa, die jetzt +13 Grad beträgt, sich in -73 Grad verwandeln. Dabei ist natürlich die von der Sonnenoberfläche ausgehende Wärmemenge, welche die Erde trifft, nur ein ganz geringer Bruchteil der insgesamt ausgestrahlten Wärme. Schwebt doch die Erde als ein unbedeutendes Stäubchen im Weltenraum, in den die Sonnenoberfläche nach allen Richtungen einstrahlt. Nur der zweimilliardste Teil der Sonnenwärme gelangt auf die Erde.
Um die von der Sonne ausgestrahlte Wärme zu ersetzen, müßte man nach der Angabe von Helmholtz stündlich 75 000 Kilogramm Kohle auf jedem Quadratmeter der Sonne verbrennen. Ohne Wärmezufuhr müßte sich die Sonne jährlich um vier bis acht Grad abkühlen. Das kann aber nicht gut der Fall sein, denn dann müßte die Sonne, die den alten Ägyptern geschienen hat, um 6000 Grad wärmer gewesen sein als die, welche uns heute leuchtet. Und in verhältnismäßig kurzer Zeit schon wäre ein völliges Erlöschen des Gestirns zu befürchten. Sehr bald müßte die ganze Erde vereisen und der letzte Mensch frierend seinen Tod in einer Eishöhle abwarten.
342 In Wirklichkeit ist sicherlich die Sonnenwärme in der historischen Zeit, die doch nun schon fast 7000 Jahre alt ist, nicht geringer geworden. Woher schöpft nun der glühende Ball die Energie, die ihn so lange Zeit hindurch in gleicher Wärme hält?
Zunächst hat man angenommen, daß die nötige Wärmezufuhr durch das immerwährende Aufprallen von Meteoren auf die Sonne bewirkt würde. Aber das kann nicht sein, weil dann die Sonne inzwischen schon eine so bedeutende Vergrößerung ihrer Masse erfahren haben müßte, daß die heutige Ordnung im Planetensystem nicht mehr bestehen könnte.
Es ist darum klar, daß die Wärmezufuhr an die Sonnenoberfläche nicht von außen kommen kann, sondern nur vom Innern der Sonne her. Helmholtz meinte, daß der Fall der äußeren Sonnenteilchen gegen den Mittelpunkt hin die ausgestrahlte Wärme immer neu bilde. Dieser Fall gegen den Mittelpunkt muß eintreten, da ja die Sonne beständig Wärme verliert und sich eigentlich abkühlen, dabei also schrumpfen muß. Schrumpfung bedeutet aber nichts anderes, als Fall der äußeren Teile gegen den Mittelpunkt, und dabei muß Wärme frei werden. Helmholtz hat gezeigt, daß bei der gewaltigen Größe des Sonnenballs der Durchmesser jährlich nur um 60 Meter zu schrumpfen brauchte, um alle diejenige Wärme bereitzustellen, die in den Raum hinausgestrahlt wird. In einem Jahrhundert würde der Sonnenkörper dabei um 6 Kilometer abnehmen, in 2000 Jahren um 1 / 100 Prozent – also um einen Betrag, den man mit den besten Hilfsmitteln der modernen Meßtechnik nicht nachzuweisen vermag.
Dehnt man aber diese Rechnung über sehr lange Zeiträume aus, so ergibt sich, daß die Sonne, um ihren heutigen Zustand erreicht zu haben, nicht älter als 18 Millionen Jahre sein könnte. Daraus folgte, daß der Erde für ihre Entwicklung bis zum heutigen Tag nur wenige Millionen Jahre zur Verfügung gestanden hätten, was für den Ablauf der geologischen Perioden und auch für die biologischen Entfaltungen durchaus zu wenig ist; diese müssen sich vielmehr in außerordentlich viel größeren Zeiträumen abgespielt haben.
Der große schwedische Forscher Svante Arrhenius vermeidet bei der von ihm aufgestellten Theorie diese Klippe. Auf der Oberfläche der Sonne gibt es, wie wir aus spektroskopischen Untersuchungen wissen, nur chemische Elementarstoffe ; in der Tiefe aber, die durch die Sonnenflecke dem Spektroskop hier und da zugänglich gemacht wird, sind chemische Verbindungen vorhanden. Wenn diese Verbindungen aus dem Innern der Sonne, in deren Mittelpunkt nach Arrhenius ein fürchterlicher Druck von 8520 Millionen Atmosphären herrscht, rasch zur Oberfläche aufsteigen, zerfallen sie, und dabei werden ungeheure Energiemengen frei. Der Zerfall geschieht unter gewaltigen Explosionen, 343 gegen welche die Detonationen von Dynamit als der Hauch aus dem Mund eines Kindes anzusehen sind.
Bei solchen Explosionen auf der Sonne sind Geschwindigkeiten emporgeschleuderter Materie von 900 Kilometern in der Sekunde beobachtet worden. Ihre unvergleichliche Kraft steht also fest. Sie genügen, um der Sonnenoberfläche immer wieder neue Wärmemengen zuzuführen, die ausgestrahlte Wärme Milliarden und Billionen Jahre lang immer wieder zu ersetzen, sodaß auf
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