Das Buch Der 1000 Wunder
genau nach den Gesetzen der Mechanik angeordnet ist. Die langen Knochen des Skeletts, die als Strebepfeiler wirken, wie Arm- und Schenkelknochen, sind Hohlpfeiler, denn das Innere ist mit Knochenmark oder, bei den Vögeln, mit Luft gefüllt. Die Bälkchen, die sich in den Gelenkköpfen befinden, sind nicht regellos geordnet, sondern ihr Verlauf wird durch die Beanspruchung der betreffenden Skeletteile bedingt. Sie fallen in die Richtung der Druck- und Zuglinien, in denen die in den Knochen angreifenden Lasten und Kräfte wirksam sind. So wirkt z. B. der Schenkelhals des Oberschenkels wie der Tragbalken eines Krans. Wenn man für einen ähnlich gestalteten Kran mit gleicher Belastung die Druck- und Zuglinien konstruiert, so findet man, daß sie den Richtungen der Bälkchenzüge im Schenkelhals entsprechen.
Diese auffallende Struktur ist jedoch nicht einfach ererbt, sondern ihre Entstehung steht mindestens zum großen Teil unter dem unmittelbaren Einfluß der Beanspruchung. Denn wenn z. B. bei einem falsch verheilten Knochenbruch die Beanspruchung des Knochens von der normalen abweicht, und somit die Druck- und Zuglinien nicht mehr mit der Richtung der Knochenbälkchen zusammenfielen, so kommt es im Gelenkkopf zu Umbildungen, die nach einiger Zeit den mechanisch geforderten Zustand wieder herstellen. Der Knochen wird durch Erneuerung seiner inneren Architektur wieder funktionsfähig.
65
45. Aus Wasser bist du . . .
Quelle: Dr. Richard Hesse: »Der Tierkörper als selbständiger Organismus«, erster Band des Werks: »Tierbau und Tierleben in ihrem Zusammenhang betrachtet« von Dr. Richard Hesse und Dr. Franz Doflein. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig und Berlin, 1910.
Wenn es auch Menschen gibt, die das Wasser innerlich und äußerlich ihr ganzes Leben lang verabscheuen, so können sie die innigste Berührung mit der verhaßten Substanz dennoch nicht vermeiden. Wenn einer auch ausschließlich gebranntes Wasser zum Trinken verwendet und möglichst wenig badet, er kann doch die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß sein Körper zum weitaus größten Teil aus Wasser aufgebaut ist. Die Naturforschung hat festgestellt, daß nicht weniger als zwei Drittel des menschlichen Körpers aus Wasser bestehen. Die Muskeln , die so fest erscheinen und soviel Kraft leisten können, sind sogar zu drei Vierteln aus Wasser aufgebaut.
H 2 O ist überhaupt der häufigste Baustoff in der organischen Welt. Selbst die harten Holzteile der Pflanzen sind noch zur Hälfte Wasser. Bei manchen Früchten steigt der Wassergehalt auf 90–95 Prozent, bei den Algen sogar bis auf 98 Prozent. Erstaunlich ist es, wie Gefühl und Leben in einem Körper wie dem der Qualle vorhanden sein können, die bis zu 98 Prozent aus Wasser besteht. Am weitesten darin bringen es allerdings manche Salpen oder der durchsichtige Venusgürtel, der mehr als 99 Prozent Wasser enthält. Ein schöpferischer Hauch nur unterscheidet diesen mit Leben begabten Wasserstreifen von dem toten Wasser ringsum, in dem er sich tummelt.
46. Geschwänzte Menschen
Quelle: Dr. Conrad Günther: »Vom Urtier zum Menschen«, zweiter Band. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1909.
Die Natur liebt es, in der Entwicklungsreihe, die vom Urtier bis zum Menschen langsam aufwärts führt, hier und da Rückschläge eintreten zu lassen, die an vorgeschrittenen Arten plötzlich, mit der jähen Aufhellung des Blitzlichts, ihre Abstammung zu erkennen geben. Unsere zahmen Taubenrassen schlagen namentlich bei Kreuzungen nicht selten auf die wilde Urform zurück, indem aus den Eiern von schneeweißen oder blauroten Tauben plötzlich eine dunkelblaugrau gefärbte Felsentaube auskriecht. Auch unser Pferd zeigt manchmal eine Streifung im Fell, die nur ein Rückschlag auf zebraartige Ahnen sein kann.
Beim Menschen sind neben mancherlei andern Atavismen insbesondere einige Fälle beobachtet worden, bei denen Individuen einen richtig ausgebildeten Schwanz besaßen, wie er ja in so mannigfach gestalteten Exemplaren unsere Wirbeltierahnen ziert.
Es gibt einen wissenschaftlichen Bericht über ein menschliches Embryo, das 66 noch im vierten Monat seiner Entwicklung mit einem langen Schwanzanhang versehen war. In diesem ließen sich Muskelfasern nachweisen, die nur mit den echten Schwanzkrümmungsmuskeln der Tiere verglichen werden konnten. Ein anderes Kind besaß noch 6 Monate nach seiner Geburt einen 7 Zentimeter langen Schwanz, der dann abgeschnitten wurde. Dieses Anhängsel war ganz regelrecht
Weitere Kostenlose Bücher