Das Buch Der 1000 Wunder
mein Arm schmerzende Brandwunden erhalten . . . Merkwürdigerweise beobachtete 165 jeder, daß Yolande ihren Arm hielt, als ob er verletzt sei, und daß sie, wenn sie zufällig berührt wurde, zusammenzuckte, als ob sie Schmerz empfände.”
Und wie soll man sich die folgende Begebenheit, die Frau d'Espérance in ihrem Buch »Im Reich der Schatten« ebenfalls mitteilt, anders erklären, als dadurch, daß eben Medium und Geistererscheinung ein und dasselbe waren.
„Nun kommt eine andere Gestalt, kleiner, schlanker und mit ausgestreckten Armen. Am entferntesten Ende des Kreises steht jemand auf und kommt ihr entgegen, und die beiden liegen sich in den Armen; dann hört man unbestimmte Rufe, wie »Anna!« »O Anna!« »Mein Kind!« »Mein geliebtes Kind!«
Alsbald steht jemand anderes auf und schlingt die Arme ebenfalls um diese Gestalt; es mischen sich Schluchzen, Ausrufe und Segenswünsche ineinander. Ich fühle meinen Körper hin- und herschwanken, und alles wird dunkel vor meinen Augen. Ich fühle jemandes Arme um mich , obgleich ich allein auf meinem Stuhl sitze. Ich fühle jemandes Herz gegen meine Brust schlagen. Ich fühle, daß etwas vorgeht. Niemand ist mir nahe außer den beiden Kindern. Niemand beachtet mich . Aller Augen und Gedanken scheinen auf die weiße, schlanke Figur konzentriert zu sein, die dort steht, umschlungen von den Armen der beiden schwarz gekleideten Frauen.
Es muß mein eigenes Herz sein, das ich so deutlich schlagen fühle. Doch diese Arme um mich?! Sicherlich empfand ich niemals eine Berührung so deutlich wie diese. Ich fange an, mich zu fragen, welche von beiden ich bin. Bin ich die weiße Gestalt, oder bin ich die, die auf dem Stuhl sitzt? Sind es meine Hände, die sich um den Hals der alten Dame schlingen, oder sind diese meine, die auf meinen Knien vor mir liegen, oder ruhen sie auf dem Schoß der Gestalt, wenn ich es nicht bin, die auf dem Stuhl sitzt?
Sicherlich sind es meine Lippen, die geküßt werden. Es ist mein Gesicht, das von Tränen naß ist, die diese guten Frauen so reichlich vergießen. Doch wie kann dies sein? Es ist ein schreckliches Gefühl, also den Halt seiner Persönlichkeit zu verlieren. Ich verlange danach, eine dieser Hände auszustrecken, die so hilflos daliegen, und jemand zu berühren, nur um zu wissen, ob ich ich selbst bin oder nur ein Traum – ob »Anna« ich ist, und ich gewissermaßen in ihre Person verloren bin.
Ich fühle die zitternden Arme der alten Dame, die Küsse, die Tränen, die Segenswünsche und Liebkosungen der Schwester, und ich frage mich in einer qualvollen Erwartung und Verwirrung: wie lange kann das dauern? Wie lange wird es zwei von uns geben? Welche werde ich am Ende sein? Werde ich »Anna« oder wird »Anna« ich sein?”
Unbegreiflich für jeden normalen Menschen ist nur, daß bei den vielen 166 Sitzungen mit der d'Espérance nur äußerst selten der unwillkürliche Betrug entdeckt worden ist. Aber nicht nur das Medium, sondern auch die andern Teilnehmer an spiritistischen Sitzungen befinden sich ja während deren Dauer stets in einem seltsamen Geisteszustand, der jede Täuschung gern aufnimmt, ja herbeisehnt. Hat doch in diesem Fall sogar eine arme trauernde Mutter den »Geist« bereitwillig als ihr verstorbenes Kind angesehen.
120. Sir William Crookes und das Medium Home
Quelle: Dr. Alfred Lehmann: »Aberglaube und Zauberei von den ältesten Zeiten an bis in die Gegenwart«, deutsche autorisierte Übersetzung von Dr. med. Petersen I, Düsseldorf, zweite Auflage. Verlag von Ferdinand Enke, Stuttgart, 1908. Z.
Die Spiritisten sind nicht selten in der Lage, als Anhänger ihrer Anschauungen Männer zu bezeichnen, deren Name, deren Ruf als Beobachter gegen jede Möglichkeit einer Täuschung zu sprechen scheinen. Aber gerade diese Eideshelfer des Spiritismus sind für jeden, der die Vorgänge kritisch prüft, ohne Bedeutung. Ein Medium, das später zugab, Erscheinungen schwindelhaft hervorgerufen zu haben, erklärte einmal einem bekannten Psychologen gegenüber, es habe am liebsten bei Fürsten und Naturforschern zu tun gehabt. Bei diesen sei der Betrug am leichtesten gelungen.
Wenn daher Männer der Wissenschaft als gläubige Spiritisten genannt werden, so beweist dies garnichts. Der Kernpunkt einer wissenschaftlichen Beobachtung ist, daß der Mann der Wissenschaft die Sitzung leitet, nicht aber das Medium oder dessen Helfer. Der Mann der Wissenschaft muß die Bedingungen stellen, unter denen die Erscheinungen eintreten
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