Das Buch Der 1000 Wunder
berühmten Crookesschen Sitzungen sich durchaus nicht von anderen spiritistischen Sitzungen unterscheiden; sie haben dasselbe unberechenbare und launenhafte Gepräge, dieselbe Abhängigkeit von dem Gutdünken des Mediums.”
Lehmann faßt sein Gesamturteil so zusammen: „Crookes kann kaum eine Ahnung davon gehabt haben, wie bedeutungsvoll die Umstände sind, die er im Bericht von 1871 stillschweigend übergeht. Hätte er das eingesehen, so hätte er niemals die erste Schilderung geben können, ohne sich eines bewußten Betrugs schuldig zu machen.”
121. Der Geist Katie King
Quelle: Camille Flammarion: »Unbekannte Naturkräfte«. Verlegt bei Julius Hoffmann, Stuttgart, 1908. Z.
Ende der sechziger Jahre kamen aus Amerika die ersten Nachrichten darüber, daß Geister sich in Gegenwart ganzer Versammlungen »materialisiert« gezeigt hätten. Die europäischen Medien fingen alsbald an, Sitzungen zu gleichem Zweck zu veranstalten, und es gelang ihnen bald, gleichfalls Materialisationen hervorzurufen. Crookes begann im Jahre 1872 die Angelegenheit selbst zu untersuchen. Er wählte hierzu ein neu aufgetauchtes Medium, die fünfzehnjährige, anmutige Florence Cook , bei deren Jugend an Betrug am wenigsten zu denken war. Er und seine Freunde haben länger als zwei Jahre mit dem Mädchen experimentiert und dabei geradezu ungeheuerliches erlebt.
Florence Cook behauptete, seit einem Jahr oft neben sich den Schatten eines jungen Mädchens gesehen zu haben, das sie lieb gewonnen hatte und das ihr sagte, in der andern Welt heiße es Katie King, aber während eines ihrer Erdenleben sei es Annie Morgan, eine Hofdame aus der Zeit der Königin Anna, gewesen. Nach Crookes' Bericht ist ihm der Geist Katie King sehr häufig erschienen. Er hat ihn gleichzeitig mit vielen andern Personen zahlreiche Male 169 gesehen, mit ihm gesprochen, ihn berührt, ja er ist mit ihm (oder mit ihr?) in ein gewisses freundschaftliches Verhältnis getreten. Hören wir einige Abschnitte aus den Berichten, in denen der Gelehrte über diese gewiß eigentümlichen Begebnisse Mitteilung macht:
„Ich trat vorsichtig in das Zimmer ein: drinnen herrschte Dunkelheit, tastend suchte ich Fräulein Cook. Ich fand sie aus dem Boden hockend . . . .
Ich hob die Lampe und sah mich um; da erblickte ich Katie, die ganz nahe hinter Fräulein Cook stand. Sie war mit einem weißen, flatternden Gewand bekleidet . . . . Ich hielt eine Hand Fräulein Cooks in der meinen, kniete wieder nieder, hob und senkte die Lampe, sowohl um Katies ganze Gestalt zu beleuchten, wie um mich völlig zu überzeugen, daß ich tatsächlich die wirkliche Katie sah . . . . Sie sprach nicht, aber sie bewegte den Kopf als Erkennungszeichen. Dreimal prüfte ich sorgfältig das vor mir kauernde Fräulein Cook, um mich zu versichern, daß die Hand, die ich festhielt, wohl die einer lebenden Frau war, und dreimal wandte ich die Lampe auf Katie, um sie mit der größten Genauigkeit zu beobachten, so lange, bis ich nicht mehr den geringsten Zweifel hatte, daß sie wirklich da vor mir stand . . . .
Katie zeigte sich bei mir sehr regelmäßig und erlaubte mir, sie bei künstlicher Beleuchtung zu photographieren. Zu diesem Zweck wurden fünf vollständige Photographieapparate vorbereitet. Sie sollten alle zu gleicher Zeit auf Katie gerichtet werden, jedesmal wenn sie ihr Bild abnehmen lassen wollte . . . .
Eine der interessantesten Photographien ist die, auf der ich neben Katie stehe; ihr nackter Fuß ruht auf einer bestimmten Stelle des Bodens. Hierauf kleidete ich Fräulein Cook genau so wie Katie; wir beide stellten uns in dieselbe Lage, und wir wurden von den gleichen Objektiven photographiert, die in genau derselben Stellung waren wie bei dem andern Experiment und auch von demselben Licht erleuchtet wurden. Wenn diese beiden Abbildungen aufeinandergelegt werden, stimmen meine beiden Photographien in Größe usw. genau überein, aber Katie ist um einen halben Kopf größer als Fräulein Cook und sieht neben ihr wie eine kräftige Frau aus. Auf vielen Bildern sind ihr Gesicht und ihr Körper wesentlich von dem des Mediums verschieden, und die Photographien zeigen auch mehrere andere Verschiedenheiten. (Dies soll zum Beweis dienen, daß der Geist und das Medium nicht identisch gewesen seien.)
Doch die Photographie ist ebenso unfähig, die regelmäßige Schönheit von Katies Antlitz wiederzugeben, wie Worte den Liebreiz ihres Wesens beschreiben können. Die Photographie kann
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