Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1
meiner Freunde etwas tut, was er nicht von sich aus tun möchte. Im Gegenteil, ich würde immer versuchen, ihn davon abzuhalten. Und bei euch ist das sowieso etwas ganz Besonderes, denn ich mag euch.«
Wir waren von seinen Worten betroffen, denn wir kannten ihn doch noch gar nicht richtig. Hätten wir uns schon jetzt getraut, ihm so etwas zu sagen? Keiner bekam ein Wort heraus. Schließlich drehte sich Tommy um, kletterte über die Absperrung und schlenderte hin zur Anmeldung. Völlig hilflos schauten wir zu, wie er bezahlte und als Nächster auf die Plattform hinaufgezogen wurde.
Bald stand er da oben, mit beiden Füßen sicher am Rand der Plattform, hob die Hand zu einem unmerklichen Gruß, der uns galt, und ehe wir die Luft anhalten konnten, ließ er sich fallen, den Kopf nach hinten, die Arme ausgebreitet, und kein Schrei noch sonst irgendein Laut kam über seine Lippen, als er stolz und mit durchgedrücktem Rücken nach unten fiel.
Als das Seil nicht weit von uns mit Tommy ausschwang, sah ich einen überglücklichen Ausdruck in seinem kopfübervorbeisausenden Gesicht. Die Augen geschlossen und beinahe schwerelos, schien er zu träumen.
Und ich meinte zu wissen, wovon er träumte. Wahrscheinlich würde er sich nun für einen Moment lang so fühlen wie sein eigener Vater, der von einer hohen Klippe auf Teneriffa hinunter ins Meer stürzt, mutig und stolz, frei zu sein.
DAS HAUS
F ür den nächsten Tag hatten wir verabredet, uns das verlassene Haus näher anzusehen. Tommy hatte den Mädchen einfach so davon erzählt.
Erst war ich stinksauer, hatte ich mich doch darauf gefreut, mit Tommy genau wie mit Andi früher allein über dieses wilde Grundstück zu streunen und zu versuchen, das Haus zu erobern. Aber nach und nach freundete ich mich doch damit an, dass wir nun zu viert waren. Nicht etwa wegen meiner Schwester, nein, Sanne hätte von mir aus sechsmal die Woche zum Ballett gehen können, da war sie sicher und mir nicht im Weg. Ich dachte dabei eher an Janine, und ich wusste noch nicht einmal so genau, warum. Nicht, dass ich mich verliebt hätte, aber ich fühlte mich ziemlich wohl in ihrer Nähe.
Na, wie dem auch sei, ich traf zuerst bei Tommy ein, bei dem wir uns alle verabredet hatten. Sanne wollte noch auf Janine warten.
Als ich geklingelt hatte und er die Tür öffnete, bekam ich große Augen. Tommy stand mir gegenüber, hatte einen großen Rucksack geschultert, eher die kleinere Ausgabe eines Seesacks, und in der Hand hielt er ein gebogenes Schwert.
Jever sprang mir wie immer in die Arme, und das lenkte mich erst mal ab. Kopfschüttelnd wehrte ich die nassen Leckattacken des kleinen Wirbelwindes ab und folgte dannTommy in sein Zimmer. Allerdings erst, nachdem wir geduldig auf Lazy gewartet hatten, der sich langsam die Treppe hinaufschleppte.
»Woher hast du das denn?«, fragte ich und zeigte auf das Schwert.
»Das ist eine Machete aus Madagaskar«, antwortete Tommy. »Die hat mir mal Man… , ich meine Jesse, mitgebracht. Du weißt, er malt und verdient auch sein Geld damit. Er reist oft in exotische Länder, um dort nach neuen Motiven zu suchen. Die hier hat er von einer Familie aus Madagaskar als Bezahlung für ein Bild bekommen, das er von ihnen gemalt hat. Statt Geld. Es ist eine echte Machete, und man muss vorsichtig mit ihr umgehen, die Klinge ist verdammt scharf.«
Er griff sich ein auf seinem Bett liegendes Futteral und steckte die Machete hinein.
»Hier ist sie sicher. Du hast gesagt, das Grundstück ist voller Brombeeren und Sträucher, da könnten wir das Ding sicher gut gebrauchen.«
Ich nickte, war aber skeptisch. »Und Jesse? Weiß er, dass du sie mitnimmst?«
»Ich habe ihn gefragt, und er hatte nichts dagegen. Ihr müsst nur weit genug von mir wegbleiben, wenn ich damit rumhacke.«
Ich dachte, toll, mein Vater hätte einen Anfall bekommen, wenn er gewusst hätte, dass wir so ein Mordsding mit uns rumschleppen wollten. Und bei der schlechten Laune, die erdauernd hatte, durfte ich ihm auf keinen Fall was von der Machete sagen. Ich zeigte auf Tommys Rucksack.
»Und was ist da alles drin?«
Er stellte ihn auf den Boden, setzte sich aufs Bett und öffnete die Verschlüsse. Dazu machte er ein geheimnisvolles Gesicht und genoss meine Neugierde, die mir wohl deutlich anzusehen war. Schließlich griff er ein halbes Dutzend Mal hinein und holte unglaublich viel Zeugs heraus.
Zuerst ein Fernglas, danach ein dickes und klobiges Schweizer Taschenmesser, einen Kompass, eine
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