Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1
irgendetwas auffällt, egal was, ruft ihr. Alles klar?«
Wieder waren wir Feuer und Flamme und verteilten uns. Ich griff mir einen Stock, der von einem morschen Baumabgefallen war, um auf meiner Seite des Hauses die stacheligen Äste beiseitezuschieben und näher an die Wand heranzukommen. Ich ging äußerst gründlich vor, trat Gestrüpp zur Seite und einigen Unrat, den wer auch immer hier hinterlassen hatte. Ich suchte die Wand, so genau es ging, nach irgendwelchen Anzeichen für eine Tür ab. Aber nichts. Nicht die kleinste Spur war im Putz zu erkennen.
Ich war kurz davor, der Versuchung nachzugeben, hochzuspringen und mich auf eines der Fensterbretter zu ziehen, um wenigstens einen flüchtigen Blick hineinzuwerfen, da hörte ich einen gellenden Schrei von der anderen Seite des Hauses.
Ich fuhr herum und kriegte dabei von den Dornen eines Brombeerstrauchs ordentliche Kratzer am Arm.
»Joe!«, schrie jemand, es musste Janine sein. Mir fuhr es ins Herz. Sie schrie tatsächlich nach mir und nicht etwa nach Tommy! So schnell es ging, arbeitete ich mich durch das Dickicht nach draußen und rannte um das Haus herum. Jever und Lazy spürten sofort, dass hier etwas ganz und gar nicht normal war, und rannten mir nach.
Als ich ankam, war Tommy schon dabei, die kleine Gasse, die Janine offenbar freigetreten hatte, um an das Haus zu kommen, mit der Machete zu vergrößern. Schließlich standen wir alle schwer atmend und ziemlich aufgeregt bei Janine und schauten uns halb neugierig, halb ängstlich nach irgendwas um, von dem wir nicht wussten, was es denn eigentlich war.
»Was hast du?«, fragte Tommy, »Was ist passiert? Hier ist doch gar nichts!«
Janine blickte uns mit einem triumphierenden Lächeln an und kostete ihre folgenden Worte so richtig aus. Schließlich passierte es nicht oft, dass man mehr wusste als Tommy. Janine weidete sich noch ein paar Sekunden an unseren fragenden Gesichtern. Ich fand es fast ein bisschen schade, dass sie nicht in Gefahr war, schließlich schwand damit die Möglichkeit, sie in den Arm nehmen zu können.
Stattdessen nahm sie meine Hand, was mich noch mehr irritierte, und führte mich ein paar Meter weit an der Wand entlang. Dann blieb sie stehen, schaute sich um und zeigte auf die Hauswand etwa einen halben Meter über unseren Köpfen.
»Schau dir diese Stelle an und geh dann langsam an der Wand entlang.«
Zuerst sah ich nichts, doch als ich die Stelle fixierte und mit möglichst gleichmäßigen Schritten langsam am Haus entlang zurück zu den anderen lief, entdeckte ich es: Da erschien eine Zahlenreihe an der Wand! Es sah aus, als trete sie aus der Wand hervor. Das war unglaublich. Ich hatte das Gefühl, als ob man hochspringen und die Zahlen greifen könnte. Ich war völlig verblüfft und blieb wie angewurzelt stehen. Doch genau in dem Moment, als ich mich nicht mehr bewegte, verschwanden die Zahlen, als wären sie niemals an der Wand gewesen.
»Mann!«, sagte ich und ging langsam weiter.
»Was ist?«, drängten die anderen.
»Einen Moment«, sagte ich souverän und lief, so gut es ging, mit gleichmäßigem Schritt weiter, wobei ich den Blick immer auf die geheimnisvolle Stelle richten musste und so langsam aber sicher den Kopf immer mehr verdrehte. Sobald ich mich etwas vom Fleck weg bewegte, waren die Zahlen wieder da.
Doch nach etwa acht bis zehn Metern verschwanden die Zahlen langsam wieder in der Hauswand, bis sie schließlich gar nicht mehr zu sehen waren. Ich drehte mich um und versuchte das Ganze aus der anderen Richtung noch einmal. Und wieder erschien die Zahlenreihe, plastisch und zum Greifen nah vor meinen Augen.
Sanne und Tommy traten ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Ich fand es nicht schlecht, für einen Moment mehr zu wissen. Aber Janine hatte das sonderbare Zahlenspiel zuerst entdeckt. Ich wollte nicht unfair sein und sagte deshalb: »Janine hat tatsächlich etwas entdeckt. Es ist ganz deutlich zu sehen. Dort! Probiert es aus!«
Tommy und Sanne schritten nun ihrerseits die Wand ab und starrten verblüfft nach oben. Das sah recht lustig aus, wenn man nur so dabei stand und ihnen zuguckte. Lazy und Jever saßen zu meinen Füßen und schienen nicht zu verstehen, was diese komischen Zweibeiner da anstellten.
Da wir alle kaum glauben konnten, was wir da sahen, ging jeder von uns die Strecke noch zwei weitere Maleab. Doch die Erscheinung blieb, ja es schien, als verstärke sie sich bei jedem Abschreiten noch. Schließlich blieben wir in der Mitte stehen
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