Das Buch der Lebenskunst
dass deine Mutter die Liebe gibt, nach der du dich sehnst, dass deine Mutter dir die Worte der Anerkennung und des Lobes sagt, die du so sehr brauchst. Sei dir selbst Mutter. Nimm dich selbst liebend in die Arme. Und schenke dir die Geborgenheit, die das verletzte und verwaiste Kind in dir braucht. In dir ist genügend Mütterlichkeit, weil du teilhast an Gottes mütterlicher Liebe und Kraft.
SELBSTVERGESSEN
George Bernanos sagte einmal: „Es ist eine große Gnade, sich selbst annehmen zu können. Aber die Gnade aller Gnaden ist, sich selbst vergessen zu können.“
Sich selbst vergessen, einfach in Gottes Gegenwart dasitzen, zu kon-templieren, - wem das gelingt, der hat bereits eine Ahnung der Ewigkeit, wo wir in Gott für immer leben werden. Es ist auch eine Erfahrung großer Freiheit.
Selbstvergessen zu sein, abzusehen vom eigenen Ego, ist aber auch eine Chance, Freiheit im ganz konkreten Alltag zu erfahren.
Freiheit ist nicht eine Leistung, die ich erbringen kann. Sie ist viel mehr dies: Ausdruck dafür, dass ich so lebe, wie es mir gemäß ist und wie es meiner Begrenzung und zugleich meinen Kräften entspricht.
Die wahre Freiheit aber besteht darin, selbstlos lieben zu können.
ASKESE TUT GUT
Askese ist Training der inneren Freiheit. Sie darf aber nicht gegen den Menschen wüten und gegen seine psychische Struktur. Sie entspringt einem optimistischen Menschenbild. Wir sind nicht einfach unserer Lebensgeschichte mit ihren Verletzungen und Verbiegungen ausgeliefert. Wir können an uns arbeiten. Wir können etwas erreichen.
Wir können uns in die innere Freiheit einüben. Allerdings müssen wir auch die Grenzen unserer Askese erkennen. Wir können nicht alles, was wir wollen. Wir müssen unser Wesen wahrnehmen und ernst nehmen und das Maß finden, das uns gut tut. Alles Übermaß, so sagen die frühen Mönche, kommt von den Dämonen.
Die Askese bezieht sich einmal auf den Verzicht oder auf die Einschränkung im Essen, im Informationsbedürfnis, im Reden, in den Aktivitäten. Sie will uns dazu führen, dass wir in Freiheit entscheiden, wie viel wir essen und trinken, wann und wie wir sprechen, wie viel wir arbeiten. Sie gibt uns das Gefühl, dass wir selbst leben, anstatt von außen gelebt zu werden. Wir bestimmen das Maß unseres Lebens, anstatt es uns von außen aufzwingen zu lassen. Zum andern besteht Askese im Einüben positiver Haltungen wie Se lbstlosigkeit, Dienstbereitschaft, Nächstenliebe, Offenheit für Gott, Güte und Barmherzigkeit. All diese Haltungen tun dem Menschen gut. Die Tugenden, in die uns die Askese einüben möchte, sind Voraussetzung dafür, dass unser Leben gelingt, dass wir tauglich sind für das Leben.
GEH BIS AN DEINER SEHNSUCHT RAND
SEHNSUCHT IST DER ANFANG VON ALLEM
VERSTECKT HINTER DER SUCHT
Unsere Zeit ist eine Zeit der Desillusion. Skepsis und Zynismus machen sich breit. Die Visionen sind verflogen. Wir misstrauen großen Worten.
Für manche ist Sehnsucht nichts als Fata Morgana. In der postmodernen Zeit leben wir ohne Illusionen. Der Mensch kann aber auch in Zeiten der Desillusionierung die Sehnsucht nicht ganz lassen. Wir brauchen uns nur umzuhören, dann erkennen wir seine heimlichen Sehnsüchte in den vielen Schlagern, die seine Sehnsucht nach Liebe besingen. Wir entdecken die heimliche Sehnsucht in den Begierden und Bedürfnissen, die die Konsumgesellschaft wachruft und zu stillen versucht. Sehnsüchte werden
kommerzialisiert. Sie verstecken sich hinter vielen Ersatzbefriedigungen. Oder wir brauchen nur die Inhalte von populären Illustrierten zu betrachten, das Verlangen, am Glanz der Filmstars und Sportstars teilzuhaben, oder die Neugier, alles über Königshäuser zu erfahren. Man möchte selber König oder Prinzessin sein.
Sehnsucht versteckt sich heute vor allem hinter der Sucht. Und die ist immer verdrängte Sehnsucht. In der Sucht suche ich eigentlich das, was ich in der Tiefe meines Herzens ersehne. Aber ich gebe meine Sehnsucht nicht zu. Ich möchte in der Sucht meine Sehnsucht überspringen und mir direkt nehmen, was ich ersehne. Das mittelhochdeutsche Wort Sucht kommt von siech, von krank sein. Erst in unserer Zeit hat man die Sucht mit der Suche zusammen gesehen. Sucht macht abhängig und krank. Ich suche nicht weiter. Ich begebe mich in eine Abhängigkeit, die mir scheinbar schenkt, wonach ich mich sehne. Aber ich bekomme nie, was ich ersehne.
In der Sucht sehnen wir uns letztlich nach dem Paradies des Mutterschoßes. Wir scheuen uns, das
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