Das Buch der Schatten 2
und warum.«
Ich biss die Zähne zusammen und merkte, dass meine Kehle schmerzte. Hatten meine leiblichen Eltern mich jemandem anvertraut, der sich um mich kümmern sollte, weil sie wussten, dass sie in Gefahr waren? Hatte der Anwalt die Wahrheit gesagt? Oder war ich einfach irgendwo gefunden worden, nachdem sie tot waren?
»Du warst alles, was wir uns je gewünscht hatten«, sagte Dad. »In dieser Nacht hast du zwischen uns in unserem Bett geschlafen, und am nächsten Tag sind wir alle möglichen Babysachen kaufen gegangen, von denen wir je gehört hatten. Es war wie tausendmal Weihnachten: All unsere Träume waren durch dich wahr geworden. «
»Eine Woche später«, sagte Mom schniefend, »lasen
wir von einem Brand in Meshomah Falls. Dass in einer Scheune, die völlig ausgebrannt war, zwei Leichen gefunden wurden. Als man sie identifiziert hatte, stimmten ihre Namen mit denen auf deiner Geburtsurkunde überein.«
»Wir wollten mehr darüber wissen, aber wir wollten auch nichts tun, was die Adoption gefährden könnte«, sagte mein Vater und schüttelte den Kopf. »Ich schäme mich, es zuzugeben, aber wir wollten dich unter allen Umständen behalten.«
»Aber Monate später, nachdem die Adoption abgeschlossen war – sie ging sehr schnell durch und schließlich war alles legal und niemand konnte uns dich wieder wegnehmen –, haben wir versucht, mehr in Erfahrung zu bringen«, fuhr meine Mutter fort.
»Wie?«, fragte ich.
»Wir haben versucht, den Anwalt anzurufen, doch er hatte einen Job in einem anderen Staat gefunden. Wir haben ihm Nachrichten hinterlassen, doch er hat nie zurückgerufen. Es war irgendwie seltsam«, fügte Dad hinzu. »Es schien fast, als ginge er uns aus dem Weg. Schließlich haben wir es aufgegeben. Ich bin die Zeitungen durchgegangen«, fuhr er fort. »Ich habe mich mit dem Reporter unterhalten, der den Artikel über den Brand geschrieben hatte, und er hat Kontakt zu der Polizei von Meshomah Falls hergestellt. Danach habe ich in Irland recherchiert, als ich dort auf Geschäftsreise
war. Das war, als du ungefähr zwei Jahre alt warst und deine Mutter mit Mary K. schwanger war.«
»Was hast du herausgefunden?«, fragte ich leise.
»Bist du dir sicher, dass du es wirklich wissen willst?«
Ich nickte und hielt mich an meinem Schreibtischstuhl fest. »Ja, ich will es wissen«, sagte ich mit kräftigerer Stimme. Ich wusste bisher das, was Alyce mir erzählt hatte und was ich in der Bibliothek herausgefunden hatte. Ich musste mehr wissen. Ich musste alles wissen.
»Maeve Riordan und Angus Bramson sind in der brennenden Scheune gestorben«, sagte mein Vater und senkte den Blick, als wollte er die Worte von seinen Schuhen ablesen. »Es war Brandstiftung … Mord«, erklärte er. »Das Scheunentor war von außen verriegelt und rund um das Gebäude war Benzin vergossen worden. «
Ich zitterte und sah meinen Vater mit großen Augen an. Ich hatte nirgendwo gelesen, dass es tatsächlich Mord war.
»Auf einigen verkohlten Holzstücken fanden sie Symbole«, sagte Mom. »Sie wurden als Runen identifiziert, aber niemand wusste, warum sie dort standen oder warum Maeve und Angus umgebracht worden waren. Sie hatten zurückgezogen gelebt, hatten keine Schulden gehabt, waren sonntags in die Kirche gegangen. Das Verbrechen wurde nie aufgeklärt.«
»Und in Irland?«
Dad nickte und rutschte wieder von einer Pobacke auf die andere. »Ich hatte, wie gesagt, geschäftlich dort zu tun, deswegen hatte ich nicht viel Zeit. Ich wusste nicht mal, wonach ich suchen sollte. Aber ich machte einen Tagesausflug in die Stadt, aus der, laut der Polizei von Meshomah Falls, Maeve Riordan stammte: Ballynigel. Als ich dort hinkam, war von einer Stadt nicht viel zu sehen. Zwei Läden in einer Hauptstraße und ein oder zwei neue hässliche Wohnblocks. In meinem Reiseführer hatte gestanden, es sei ein malerischer alter Fischerort, aber davon war kaum noch etwas übrig.«
»Hast du herausgefunden, was passiert war?«
»Nicht richtig«, sagte Dad und streckte die Hände aus. »Es gab einen Zeitungskiosk, einen kleinen Laden. Als ich dort danach fragte, hat die alte Dame mich rausgeworfen und die Tür hinter mir zugeknallt.«
»Dich rausgeworfen?«, fragte ich verwundert.
Dad stieß ein trockenes Kichern aus. »Ja. Nachdem ich eine Weile herumspaziert war und nichts gefunden hatte, fuhr ich in den nächsten Ort – ich glaube, der hieß Much Bencham – und aß dort im Pub zu Mittag. An der Bar saßen ein paar alte
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