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Das Buch der Schatten 2

Das Buch der Schatten 2

Titel: Das Buch der Schatten 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiernan Cate
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abgehalten hatte, lenkte Raven auf den Seitenstreifen und parkte.
    Ich fuhr langsamer, bis sie in den kürzlich abgeernteten Maisfeldern verschwunden waren, dann fuhr ich auf die andere Seite und versteckte Das Boot unter der riesigen Weideneiche. Die Äste waren inzwischen zwar fast kahl, aber der Stamm dick und der Boden leicht abschüssig, und jemand, der nur beiläufig einen Blick hinüberwarf, würde mein Auto nicht entdecken.
    Dann eilte ich über die Straße und bahnte mir den Weg durch die zerrupften, halb fauligen Überreste dessen, was einst ein hohes Feld mit goldenem Futtermais gewesen war.
    Ich konnte Raven und Bree vor mir nicht sehen, doch ich wusste, wohin sie wollten: auf den alten methodistischen Friedhof, wo wir erst vor zehn Tagen Samhain gefeiert hatten. Vor zehn Tagen, als Cal mich vor den Augen des Hexenzirkels geküsst hatte und Bree und ich zu wahren Feindinnen geworden waren.
    Es kam mir vor, als sei das alles viel länger her.
    Ich trat über das rieselnde Bächlein und steuerte auf
einen Bestand alter Laubbäume zu. Ich bewegte mich jetzt langsamer, warf meine Sinne aus, lauschte auf ihre Stimmen. Ich wusste nicht so genau, was ich hier machte, und kam mir fast vor wie ein Stalker. Aber ich hatte mich schon gefragt, was es mit ihrem neuen Hexenzirkel auf sich hatte, und konnte der Versuchung nicht widerstehen herauszufinden, was sie im Schilde führten.
    Als ich den Rand des Friedhofs erreichte, sah ich sie vor mir; sie standen bei dem Sarkophag, der uns an Samhain als Altar gedient hatte. Sie standen nur da, ohne zu reden, und da wurde mir klar: Sie warteten auf jemanden.
    Ich sank neben einem alten Grabstein auf die feuchtkalte Erde. Mein Gesicht tat ein bisschen weh und der Stich an meiner Lippe juckte. Ich wünschte, ich hätte mehr Arnica oder Paracetamol genommen, bevor ich das Haus verlassen hatte.
    Bree rieb sich mit den Händen über die Arme. Raven schob sich immer wieder ihre schwarz gefärbten Haare aus dem Gesicht. Sie wirkten beide nervös und aufgeregt.
    Dann drehte sich Bree um und spähte ins Halbdunkel. Raven wurde ganz ruhig und mein Herz pochte laut in der Stille.
    Die Person, mit der sie verabredet waren, war eine Frau, oder eher ein Mädchen, vielleicht zwei Jahre älter
als Raven, vielleicht auch nur ein Jahr. Je länger ich sie beobachtete, desto jünger wurde sie.
    Sie war auf ungewöhnliche, außerirdische Art schön. Dünnes blondes Haar schimmerte hell gegen ihre schwarze Motorradlederjacke und sie hatte einen sehr kurzen, fast weißen Pony. Ihre Wangenknochen waren hoch und nordisch, ihr Mund voll und zu breit für ihr Gesicht. Aber es waren ihre Augen, die unwiderstehlich waren, selbst auf die Entfernung. Sie waren groß, tiefliegend und so schwarz, dass sie aussahen wie Löcher, die Licht einsaugten und es nicht mehr herausließen.
    Sie begrüßte Bree und Raven so leise, dass ich das Murmeln ihrer Stimme nicht verstehen konnte. Sie schien ihnen eine Frage zu stellen, und ihre dunklen Augen schossen herum wie Negativscheinwerfer, die die Gegend absuchten.
    »Nein, niemand ist uns gefolgt«, hörte ich Bree sagen.
    »Ausgeschlossen.« Raven lachte. »Niemand kommt hier raus.«
    Dennoch sah das Mädchen sich weiter um, und ihr Blick huschte immer wieder zu dem Grabstein, hinter dem ich mich versteckte. Wenn sie eine Hexe war, spürte sie meine Gegenwart womöglich. Rasch schloss ich die Augen und versuchte, alles herunterzufahren, konzentrierte mich darauf, unsichtbar zu werden, den
Stoff der Wirklichkeit so wenig wie möglich zu knittern. Ich bin nicht hier, schickte ich hinaus in die Welt. Hier ist nichts. Du siehst nichts, du hörst nichts, du spürst nichts. Das wiederholte ich ruhig immer wieder und schließlich nahmen die drei ihr Gespräch wieder auf.
    Mit behutsamen Bewegungen wandte ich mich um und spähte wieder zu ihnen hinüber.
    »Rache?«, fragte das Mädchen, ihre Stimme kräftig und musikalisch.
    »Ja«, sagte Raven. »Weißt du, da …«
    In diesem Augenblick fuhr eine Brise durch die Bäume und ich verstand ihre Worte nicht. Sie redeten so leise, dass ich sie nur mit höchster Konzentration überhaupt hören konnte.
    »Schwarze Magie«, sagte Raven und Bree sah sie bekümmert an.
    »… damit die Liebe erstirbt«, waren die nächsten Worte, die die Brise zu mir hinübertrug. Sie kamen von dem Mädchen. Ich sah mir ihre Aura an. Neben Brees und Ravens Düsternis war sie aus reinem Licht gemacht, schimmerte wie ein Schwert in den wachsenden

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