Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)
seine Freunde ihm nach.
„Von nun an sollen wir eins sein mit diesem Buch. Unsere Wünsche sollen respektiert und befolgt werden. Unsere Feinde vernichtet werden. Vernichtet bis in aller Ewigkeit. Amen!“
„Amen!“
4. Kapitel
P ontakus
„Haben Sie etwas herausbekommen?“ waren Mr. Goodmans erste Worte, als Sallivan das Rektoratszimmer betrat. Bedächtig nahm er sich das Monokel aus dem Auge heraus. Erwartungsvoll blickte er Sallivan an. Der Abend war bereits hereingebrochen. All seine Bemühungen, Showy aufzufinden, sind fehlgeschlagen. Überhaupt, keinen der Unzertrennbaren hatte er an diesem Nachmittag zu Gesicht bekommen. Als er Champy das zweite Mal aufsuchen wollte, mußte er voller Grimm feststellen, daß auch dieser verschwunden war. Nervös schritt er vor Mr. Goodman auf und ab.
„Nein!“ zischte er nach einer Weile. Abrupt blieb er stehen. „Irgend etwas ist faul.“
„Faul?“ wiederholte Mr. Goodman.
Sallivan nickte. „Dem Chinesen wird ein Finger abgerissen“, begann er sein Versagen zu rechtfertigen. „Jeremie Unsold stürzt in den Tod. Wallis wird die Hand halb aufgeschlitzt. Was kommt noch?“
Mr. Goodman wandte sich von Sallivan ab. Von seinem Schreibtisch nahm er einen kleinen Zettel, den er Sallivan überreichte. Ein Telegramm, wie Sallivan sofort erkannte.
Mr. Blandow heute nacht gestorben – Stop. Todesursache noch unklar – Stop. Rouven Blandow darf es auf gar keinen Fall erfahren – Stop. Brief über näheres folgt – Stop.
Sallivan gab Mr. Goodman das Telegramm zurück. Es war mit dem heutigen Datum versehen.
„Wissen Sie, was das für uns bedeutet?“ fragte der Internats leiter.
Sallivan blickte ihn verständnislos an.
„Von nun an sind wir für Rouven Blandow verantwortlich“, klärte ihn Mr. Goodman auf. „Mr. Blandow hat für die gesamte Zeit über das Schulgeld schon bezahlt.“
Sallivan blickte ihn immer noch verständnislos an. Das, was Mr. Goodman ihm eben gesagt hatte, war ihm schon bekannt.
„Ist Ihnen nicht aufgefallen, daß sich seit Rouvens Ankunft das Internat verändert hat?“ versuchte ihn Mr. Goodman auf seinen Gedankengang zu bringen. „Ist Ihnen das nicht aufgefallen?“
Sallivan schien einige Augenblicke nachzudenken. Langsam bewegte sich sein Kopf zustimmend nach unten.
Mr. Goodman näherte sich Sallivan bis auf wenige Zentimeter. „Rouven ist ein Findelkind“, hauchte er Sallivan entgegen. „Blandow wußte, daß er sterben wird, daher hat er Rouven hierher gebracht.“
Sallivan zuckte etwas zusammen. Mr. Goodmans Gesichtsausdruck war wie versteinert.
„Unheimliches hat sich über diese Gemäuer gelegt, Mr. Sallivan. Unheimliches! Fragen Sie nicht mich, was noch geschehen wird. Fragen Sie nicht mich!“
Sallivan machte einen Schritt zurück. Verwirrt blickte er den Internatsleiter an.
„Der Junge“, sprach Mr. Goodman weiter. „Er war dabei, als Jeremie Unsold vom Turm gestürzt ist. Er hat nichts Gutes in sich. Verstehen Sie, Mr. Sallivan! Nichts Gutes! Er ist ein Findelkind.“
Sallivan holte tief Luft. „Sie wollen damit –“
„Nichts will ich damit sagen, Mr. Sallivan“, fuhr ihm Mr. Goodman dazwischen. „Ich möchte nur, daß Sie es wissen. Verstehen Sie?“
„Ich verstehe“, erwiderte Sallivan etwas kleinlaut, obwohl er eigentlich gar nichts verstanden hatte.
„Nehmen Sie sich in acht, Mr. Sallivan“, sagte Mr. Goodman und öffnete die Zimmertür. Mit zusammengekniffenen Augen verfolgte der Internatsleiter, wie Sallivan langsam das Rektorat verließ.
Sallivan wußte augenblicklich nicht, was er davon zu halten hatte. Er machte sich keinen Reim daraus, daß diese Unglücksfälle mit Rouven zusammenhingen. Auch wenn vor Rouvens Ankunft noch nie etwas dergleichen geschehen war. Für ihn war der Junge harmlos. Seine Aufmerksamkeit galt vor allem Dumpkin und Ellinoy. Sie waren die alleinigen Schuldigen in seinen Augen. Nur sie allein, sonst niemand!
Gedankenversunken schritt er die Treppe hinunter zum Hof hinaus. Ein lauer Wind blies ihm ins Gesicht. Inzwischen war es schon dunkel geworden. Seine Blicke wanderten über den Platz. Auf dem verschlossenen Eingangstor blieben sie haften. Das plötzliche Verschwinden von Showy ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Er hatte ihn doch gar nicht so sehr schlagen wollen. Hätte Showy nur geantwortet, so wäre es nicht so weit gekommen. Nun war Jean Hensen spurlos verschwunden. Mit ihm auch seine Freunde.
Sallivan zuckte zusammen. „Mit ihm seine Freunde“, sprach
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