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Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Das Buch der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aaron E Lony
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Verderblichkeit über uns bringen.“
    Rouven blickte von Richmon auf das Gemälde. Plötzlich wurde die schwere Eichentür der Kathedrale aufgedrückt. Schritte näherten sich. Schnelle Schritte. Ein dumpfer Schlag hallte durch die Kirche. Der Eichenflügel war wieder zugefallen. Auf alles gefaßt starrte Richmon in das Dunkel. Rouven hatte sich schützend hinter den Pater gestellt. Erleichtert und verwundert zugleich atmete Richmon auf. Schwester Maria trat in den Schein der Kerzenlichter. Zitternd hielt sie sich an der vordersten Bankreihe fest. Erschöpft ließ sich Schwester Maria auf die Knie fallen. Von Pater Richmon und Rouven schien sie keine Notiz zu nehmen. Mehrmals bekreuzigte sich die Schwester, wobei sie ihr Kruzifix krampfhaft umschlossen in der anderen Hand festhielt. Leise sprach sie dabei ein Gebet. Nur flüsternde Worte konnten Rouven und der Pater vernehmen. Nachdem Schwester Maria geendet hatte, richtete sie langsam ihr Haupt empor. Erschrocken zuckte sie zusammen. Jetzt erst fiel ihr auf, daß sie sich nicht allein in der Kirche befand. Bestürzt starrte Richmon für einen Moment auf Schwester Maria. Jegliche Farbe war aus ihrem Gesicht entwichen. Ihre Augen, sonst strahlten sie Wärme und Liebe aus, waren blutrot unterlaufen.
    „Barmherziger Gott“, hauchte sie. Mühevoll versuchte sie aufzustehen. Richmon eilte ihr zu Hilfe. Sanft nahm er ihre beiden Hände. Beinah entsetzt fuhr er zurück. Ihre Hände fühlten sich kalt an. Eiskalt.
    „Was haben Sie?“ fragte er bestürzt. Schwester Maria blickte auf Rouven. Dieser stand nur regungslos da. Er schaute sie an, als würde er durch sie hindurchsehen.
    „Was haben Sie?“ wiederholte Richmon. Die Schwester blickte von Rouven auf den Pater.
    „Mr. Sallivan“, hauchte sie, selbst für Richmon kaum hörbar. „Mr. Sallivan ist – ist tot.“
    Wie ein Fausthieb trafen die Worte auf den Pater. „Woher wissen Sie –?“ Fassungslos sah er sie an. Richmon war der Meinung gewesen, daß Sallivan verschleppt worden war.
    „Sein – sein Körper. Er – er hängt –.“ Schwester Maria rang nach Luft. Obwohl sie leise gesprochen hatte, verstand Rouven, was Schwester Maria sagen wollte. Er konnte ihr die Worte von den Lippen ablesen. Noch bevor der Pater etwas dagegen unternehmen konnte, war Rouven hinter der Tür des Glockenturmes verschwunden. Deutlich vernahm er, wie Rouven die Kirche durch den Hintereingang verließ.
    „Rouven“, rief Schwester Maria entsetzt.
    „Bleiben Sie hier“, forderte Richmon die Schwester auf. Er ließ von ihr ab und eilte Rouven hinterher. Rouvens Schritte waren im Freien gut zu hören. Sie entfernten sich in die Richtung des Lehrerhauses. Richmon hetzte so schnell er konnte. Er unterließ es, Rouvens Namen auszurufen. Kein Aufsehen durfte erregt werden. Auf keinen Fall durfte einer der Schüler etwas davon mitbekommen.
    Noch bevor Rouven das Lehrerhaus erreichte, hatte Richmon ihn eingeholt. Der Griff war fest, als er ihn an der Schulter packte.
    Abrupt blieb Rouven stehen. Sein Blick wandte sich der Eingangspforte zu. Nur wenige Meter war sie entfernt. Unwillkürlich drückte der Pater noch fester auf Rouvens Schulter. Richmon war Tote gewohnt. Viele Leichen hatte er in seinem Leben schon gesehen. Doch dieser Anblick, dem er sich widerwillig ausgesetzt fühlte, verschnürte ihm die Kehle. Er wollte Rouvens Augen verdecken, seine Glieder versagten. Starr, starr vor Entsetzen, starr vor diesem Unbegreiflichen, das sich ihm in menschenentwürdigender Weise darbot.
    „Gott erbarme“, kam es über Richmons Lippen.
    Sallivans Körper war nicht mehr zu erkennen. Kopfüber baumelte er an dem hölzernen Tor. Um seine Füße war ein Seil geschlungen, das auf der anderen Seite des Tores befestigt sein mußte. Fetzen hingen bis zur Erde herab. Hautfetzen. Sallivans Rumpf war bis zum Hals vollkommen enthäutet.
    „Er wird uns holen“, sprach eine kratzige Stimme hinter ihm. „Alle wird er sich holen.“
    Richmon drehte sich schlagartig um. Er fühlte sein Herz pochen, so sehr fuhr ihm der Schreck in die Glieder. Mr. Goodman blickte ihn an. Gebückt stützte er sich an einem Stock ab.
    „Sie wissen mehr!“ zischte Richmon. „Sie wissen, was es auf sich hat.“
    „Reden wir nicht“, erwiderte Mr. Goodman. „Wir müssen Sallivan dort herunterholen. Helfen Sie mir!“ Mr. Goodman trat an Richmon vorbei. Bei Rouven blieb er einen Moment stehen.
    „Sieh ihn dir genau an, Rouven Blandow“, raunte er ihm zu. „Sieh ihn

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