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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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stieß aber sogleich gegen die harte Steinmauer. Er hörte wieder das laute Geräusch. Es klang, als habe jemand einen Stuhl umgestoßen.
    Und dann hörte er Alexandra schreien.
    Er spähte durch den Spalt. Und als er sah, was er zu sehen gezwungen war, entfuhr seiner ausgetrockneten Kehle ein heiseres Krächzen.
    Alexandra war nackt. Man hatte ihr die Kleider ausgezogen und achtlos auf einen Haufen geworfen. Sie lag rücklings auf dem Tisch. Auf Höhe ihrer Schultern standen zwei Krieger, die ihre Arme und ihren Kopf festhielten, ein dritter und ein vierter Mann hatten ihre Füße gepackt und spreizten ihre Beine.
    Alexandra versuchte sich zu wehren, sich zu drehen und zu wenden. Sie keuchte und stöhnte, weinte und flehte.Aber die Griffe der Männer waren fest wie Schraubzwingen.
    Der Übersetzer lehnte lässig an der Wand. «Mach nicht so einen Aufstand, Frau. Beiß einfach die Zähne zusammen, dann ist es gleich vorbei. Denk einfach, dein Graf würde es dir besorgen.»
    Alexandra gelang es, den Kopf zu heben. Sie spuckte dem Übersetzer ins Gesicht. Die Krieger lachten. Der Rheinländer wischte sich mit einer gleichgültigen Geste das Gesicht ab.
    Dann erschien der Häuptling. In der einen Hand hielt er sein Trinkhorn, mit der anderen machte er sich an seiner Fellhose zu schaffen. Der Wein hatte dem Mann schwer zugesetzt. Er wankte hin und her. Beinahe wäre er umgefallen, als er sich die Hose herunterziehen wollte. Sofort sprang ein Krieger herbei, um den Häuptling zu stützen. Doch Ragnar schüttelte die helfenden Hände ab und stieß grunzende Laute aus.
    Der Übersetzer meinte zu Alexandra: «Der große Ragnar verlangt, dass du sagst, er sei der schönste Mann, den du jemals gesehen hast. Und dass sein   … sein Hammer   …» Der Rheinländer deutete vorsichtig auf Ragnars entblößten Unterleib. «…   dass er der gewaltigste ist, den du jemals spüren durftest.»
    Seine Miene wurde ernst. «Solltest du dich jedoch weigern, wirst du anstatt Ragnars Hammer sein Schwert in dir spüren. Erspare uns das, Frau. Ich musste das schon einmal mit ansehen. Ekelhaft.»
    Alexandras Augen sprühten Feuer, als sie den Kopf hob und Ragnar zurief: «Du bist abgrundtief hässlich, du Ausgeburt der Hölle!»
    Ragnar schaute den Übersetzer fragend an. Der nicktedem Häuptling zustimmend zu, als wolle er ihm verdeutlichen, dass sich die Frau lobend über ihn geäußert hatte. Ragnar schien zufrieden zu sein.
    Odo schwanden die Sinne. Er versuchte, seine Finger durch den Spalt zu quetschen, um den Schrank zur Seite zu drücken und seine Mutter zu retten. Er drückte und presste gegen Stein und Holz, riss sich dabei die Fingernägel auf und die Kuppen blutig.
    Aber es war aussichtslos. Er musste hilflos mit ansehen, wie der Verderber mit seiner Mutter das machte, was die anderen Krieger mit Allisa gemacht hatten.
    Als Odos Wut keine Grenzen mehr kannte, wollte er wie von Sinnen aufspringen, um seiner Mutter zu Hilfe zu eilen. Doch er prallte mit dem Kopf gegen die Steine und sackte bewusstlos zusammen.

8.
    Odos Körper war vom Wassermangel ausgezehrt. Er fieberte, halluzinierte und dämmerte vor sich hin.
    Als er sich irgendwann aufraffen konnte und durch den Spalt in das Wohnzimmer schaute, sah er, dass es leer war. Die Haustür stand offen. Es war helllichter Tag.
    Seine Mutter, der Häuptling und die anderen Normannen waren verschwunden. Die Stühle und das Weinfass lagen zerbrochen am Boden. Den Tisch hatte man umgekippt. Und mitten im Raum lag ein menschlicher Körper, regungslos und mit unnatürlich verdrehten Gliedmaßen. Sein abgeschlagener Kopf war in eine Ecke des Raums gerollt.
    Als Odo den Toten erkannte, fiel er abermals in eine tiefe Bewusstlosigkeit.
    Er bekam nicht mit, wie kurz darauf fränkische Soldaten ins Haus seiner Eltern kamen und die Leiche entfernten.
    Vielleicht hätte man die Gebeine des Jungen erst Jahre später entdeckt. Aber eine junge Frau, die ein außerordentlich gutes Gehör hatte, hörte die leisen Atemzüge des Jungen, als sie am folgenden Tag das Blut wegwischte und dabei dem Schrank nahe kam. Die junge Frau war die Tochter eines Mannes namens Wilpert. König Karl hatte diesem Mann, der ein ehemaliger Gardesoldat war, das Amt des neuen Grafen der Stadt Paris übertragen.
    Zu diesem Amt gehörte auch Odos Elternhaus, in das Wilpert und seine Familie nun einzogen.

9.
    Der Mönch, dessen Name Gregor war, sprang von dem Eselskarren herunter und verschwand mit verkniffenem Gesicht hinter

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