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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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dich nicht an meine Befehle gehalten. Ich hatte gesagt: Jeder Verletzte muss raus. Wie sollen wir sonst einen Sieger ermitteln?»
    Draupnir rang die Hände. Jeden anderen Mann, der so mit ihm geredet hätte, hätte er auf der Stelle getötet. Der Hofðingi war der Einzige, vor dem Draupnir Respekt hatte, zumindest ein bisschen.
    Egil winkte Mardöll heran. Sie kam vorsichtig näher.Draupnir, dessen Hände vor Blut trieften, machte ihr Angst.
    «Nenn dem Bärenmann deinen Namen», forderte Egil das Mädchen auf.
    «Mardöll», sagte sie folgsam.
    Draupnir grunzte.
    «Und jetzt zieh dich aus», forderte Egil sie auf.
    Draupnir grunzte erneut. Wer von den anderen Kriegern noch gehen konnte, trat dichter heran.
    Mardöll schlüpfte aus der Tunika und ihrem Baumwollhemd. Sie hatte sehr helle Haut. Ihre Brüste waren weich und schwer, ihre Scham beinahe weiß.
    Mardöll war ganz sicher kein Kind von Traurigkeit. Sie hatte meist die Jungen bekommen, die sie wollte. Aber dies hier war etwas anderes. Sie war es nicht gewohnt, den lüsternen Blicken Dutzender Männer ausgeliefert zu sein, und am meisten Angst bereitete ihr der Berserker. Dennoch hatte sie getan, was der Hauptmann gesagt hatte. Niemand in Haithabu würde es wagen, Egil Blóðsimlir zu widersprechen.
    «Das Weib», stieß Draupnir hervor.
    «Hm. Du wirst sie bekommen», sagte Egil. «Aber nur, wenn du von nun an das tust, was ich dir befehle.»
    Draupnir nickte eifrig. Er hätte seinem Hauptmann jetzt alles versprochen. Mit ausgestreckten Händen stapfte er auf Mardöll zu. Doch Egil rief den Berserker zurück. Um seinem Befehl das nötige Gewicht zu verleihen, zog der Bluttrinker das Schwert.
    Draupnir hielt überrascht inne.
    Egil sagte: «Nicht heute! Du kannst das Mädchen beim Regenfest haben – wenn du dich an meine Regeln hältst.»
    Mardöll bückte sich schnell nach ihren Sachen und zog sich wieder an.
    Draupnir ließ missmutig seine Hände sinken. Dann kehrte er zu den anderen zurück, und die Männer sammelten sich zu einem weiteren
Rekkrjafnaðr.
    Einen Steinwurf vom Kampfplatz entfernt raschelten Blaubeerblätter. Odo hatte genug gesehen und gehört. Rückwärts kriechend zog er sich zurück. Er war sehr zufrieden.
    Nun wusste er, wann und wie der Dämon Ira zu vernichten war.

35.
    Oh, wie sehr hatte sie dies alles vermisst!
    Ein Lager, weiche Felle, ein Feuer, das in der Nacht wärmte – und Stille.
    Eine halbe Woche lebte Rúna erst bei Helgi und dessen Mutter. Dennoch erschienen ihr die Tage beim Schmied und die Nächte im Sklavenviertel weit entfernt. Auch wenn sie noch immer eine Unfreie war. Sie gehörte jetzt Helgi. Aber der behandelte sie nicht wie seine Sklavin. Nein, er bemühte sich vielmehr, sie wie einen Gast zu umsorgen, ja, wie einen Freund.
    Die Sklavin hatte ihre Sprache wiedergefunden. Es war ihr eigenartig vorgekommen, sich in den fremden Worten der Dänen auszudrücken. Sie hatte sie lernen müssen, um Gizurs Befehlen Folge leisten zu können. Es war eine Frage des Überlebens gewesen: Wenn sie ihren Herrn nicht verstanden hatte, hatte er sie ausgepeitscht und misshandelt. Also hatte sie schnell gelernt.
    Auf den linken Ellenbogen gestützt, lag sie am Morgen des vierten Tages nach dem Brand im Sklavenviertel neben Helgi und betrachtete ihn. Er schlief noch. Sein Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig. Er schlief mit freiem Oberkörper. Haare kräuselten sich auf seiner Brust. Um den Hals trug er ein Lederband, an dem ein kleiner Silberring hing.
    «Gefällt er dir?»
    Seine Stimme ließ sie zusammenzucken. Sie hatte nicht bemerkt, dass er aufgewacht war.
    Sie nickte.
    «Einar und Gullweig haben mir den Ring geschenkt. Als Kind trug ich ihn am Finger. Aber später wurde er mir zu eng.»
    Er nahm den Ring in seine Hand. «Möchtest du ihn dir anschauen?»
    Sie nickte.
    Er zog das Lederband über den Kopf und reichte es ihr.
    «Siehst du die Zeichen auf der Innenseite?», fragte er. «Es sind keine Runen. Ich habe so etwas noch nirgendwo gesehen. Kennst du diese Zeichen?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Der Stamm der Ranen hat so etwas nicht.» Sie tippte auf ihre Lippen. «Wir gehören zum Volk der Slawen. Wir kennen nur Sprechen, kein Schreiben.»
    Helgi hängte sich das Lederband wieder um den Hals. «Ranen», sagte er lächelnd. «Und du heißt Rúna. Das klingt ähnlich.»
    Ihr Blick wurde finster. «Ich heiße nicht so. Böse Menschen haben mich so genannt.»
    «Ja. Tut mir leid. Wie lautet denn dein richtiger

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