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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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Öl.
    «Warum habt Ihr dem Betrüger etwas abgekauft?», wollte Folke wissen.
    Der Junge ist wirklich aufmerksam, dachte Odo. Er öffnete den Beutel, der ein kunstvoll gefertigtes Kruzifix aus feinstem Silber enthielt. Das zumindest musste man Gnupa lassen – er verstand sein Handwerk.
    Wenn die Zeit dafür gekommen war, würde Odo das Kreuz Folke schenken.
    «Kein anderer Metallgießer hätte sich getraut, in Haithabu ein christliches Symbol herzustellen», antwortete er. «Der Jarl hat es allen verboten, die in seiner Stadt ihrem Handwerk nachgehen.»
    Folke nagte an seiner Unterlippe. «Aber wenn Hovi uns Christen so sehr hasst, warum tötet er uns dann nicht?»
    «Oh, das würde er sofort tun», erwiderte Odo. «Doch der dänische König hat es ihm untersagt.»
    «Ist König Horick der Jüngere denn ein Christ?»
    Der Priester schüttelte den Kopf. «Sein Vorgänger, Horick der Ältere, war getauft. Horick der Jüngere jedoch hat die christliche Taufe bislang abgelehnt. Dennoch lässt er uns Christen gewähren. Wahrscheinlich will er es sich nicht mit dem Frankenkönig Ludwig verscherzen.»
    Erneut bewies Folke Scharfsinn. «Lassen sich dänische Könige denn nur taufen, um die Franken nicht zu verärgern?»
    «Wenn es nur das wäre, mein Sohn. Viele der heidnischen Herrscher legen das Sakrament sogar nur dann ab, wenn sie dafür mit Geld oder Lehen belohnt werden.»
    «Aber dann sind sie doch gar keine Christen.»
    «Du sagst es.»
    Odo blieb abrupt stehen. Durch die enge Gasse kamen ihnen drei Leute mit einem Handkarren entgegen. Es waren zwei Frauen, eine junge und eine ältere, sowie ein außergewöhnlich großer junger Mann, der den Karren schob.
    Als Odo und Folke an die Seite traten, sahen sie, dass im Karren die Leiche eines Mannes lag. Sein Fleisch war eingefallen und die Haut von Leichenflecken gezeichnet. Er schien bereits mehrere Tage tot zu sein.
    Schweigend zogen die Trauernden vorüber. Der Junge hatte bronzefarbene Haut und auffallend dunkles Haar, was sehr ungewöhnlich für einen Dänen war. Das Mädchen schien eine Sklavin zu sein, ihr Kopf war rasiert. Die Alte hatte weißes Haar, das sie mit einer Spange auf dem Hinterkopf zusammengesteckt hatte.
    Nachdem die drei hinter einer Häuserecke verschwunden waren, zupfte Folke Odo am Ärmel. Dann setzten auch sie ihren Weg fort.

33.
    Die Friedhofserde dünstete den Geruch des Todes aus.
    Helgi schob den Karren auf den Friedhof. Der Boden war so aufgewühlt, dass Einars Kopf auf der Ladefläche hin- und herschlug. Gullweig und Rúna folgten in einiger Entfernung.
    Nach kurzem Suchen entdeckten sie zwischen frisch ausgehobenen Grabhügeln eine freie Stelle. Hier wollte Helgi seinen ermordeten Vater zur letzten Ruhe betten, von wo aus der Schmied seine Reise nach Walhall antreten sollte.
    Helgi stieß den Spaten in die Erde und hob einen flachen, kreisförmigen Graben aus, in dessen Mitte er Einars Körper legte. Gullweig, gekleidet in ihr festliches Hochzeitsgewand, trat vor und legte einige Werkzeuge neben den Leichnam. Einen Hammer, zwei Feilen undeine Zange. So war es Brauch, denn Einar sollte nicht mit leeren Händen vor Odin treten. Der göttliche Heerführer würde Verwendung haben für einen guten Schmied. Auch ein von Einar gefertigtes Schwert war unter den Grabbeigaben. Mit diesen Dingen würde er Allvater Odin ganz sicher von seiner Kunstfertigkeit überzeugen können.
    Als die kleine Trauergemeinschaft andächtig dastand, dauerte es nicht lange, bis die ersten Fliegen vom Geruch des Toten angelockt wurden. In diesem Sommer gediehen die Insekten auf dem Friedhof prächtig; sie waren fett und feist. Allein in den letzten Tagen waren Dutzende Menschen von der Hitze und dem Hunger dahingerafft worden. Vor allem die Schwächsten – die Neugeborenen, die Kleinkinder und die Greise – starben.
    «Scheuch die Fliegen weg», sagte Gullweig zu Helgi.
    Er wedelte mit der Hand die Insekten fort. Doch kurz darauf brummten sie wieder heran.
    Gullweig erhob die Stimme, zunächst leise, dann schwoll ihr Gesang an: «…   wo golden schimmert Walhalls weite Halle: Da wählt Odin alle Tage vom Schwert erschlagene Männer. Leicht erkennen können, die zu Odin kommen, den Saal, wenn sie ihn sehen: Aus Schäften ist das Dach gefügt und mit Schilden bedeckt, mit Brünnen die Bänke bestreut. Ein Wolf hängt vor dem westlichen Tor, über ihm ein Aar   …»
    Helgi wunderte sich über seine Mutter. Keine einzige Träne hatte sie vergossen, kein Wort der

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