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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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kommaförmigen Schlitzen in der Mitte. Er kratzte sich an der Nasenwurzel und setzte die Brille wieder auf.
    »Sie hat Ihnen Leid getan, und da fingen Sie an, auf sie aufzupassen«, sagte ich.
    »Nein, das hab ich für Geld gemacht«, erwiderte er. »Ich hab den Jungs gesagt, ich würde mich um sie kümmern, wenn ihre Eltern verreist wären, aber sie müssten mich dafür bezahlen. Da haben sie gelacht und gesagt: ›Du könntest sie zureiten und auf den Damm schicken, aber dann musst du uns bezahlen, Bruder.‹ Weil sie dachten, ich wollte mich an ihr vergehen oder sie vielleicht auf den Strich schicken. Und das wäre ihnen gerade recht gewesen. Und von da an bin ich dann immer mit meinem alten Mercury Cougar zu ihrem Haus hin und hab sie ausgeführt.«
    »Sie ist einfach so mitgegangen?«
    »Sie war froh, mal ein bisschen vor die Tür zu kommen. Und sie war eben einfach so drauf, unkompliziert.«
    »Ist sie nicht zur Schule gegangen?«
    »Seit der fünften Klasse nicht mehr. Sie hatte große Probleme mit dem Lernen, sollte Nachhilfe kriegen, aber da ist nie so recht was draus geworden. Sie ist heute noch nicht besonders gut im Lesen oder Rechnen. Alles, was sie kann, ist kochen und backen, aber das kann sie super, Mann, das ist das Talent, das Gott ihr in die Wiege gelegt hat.«
    »Wo sind Sie mit ihr hingefahren?«, fragte ich.
    »Überall hin. In den Zoo, an den Strand, in die Parks; sie hat mir Gesellschaft geleistet, während ich meine Deals gemacht hab. Manchmal sind wir auch einfach nur in der Gegend rumgefahren und haben Musik gehört. Ich war meistens high, aber ihr hab ich nie mehr was gegeben, nicht, nachdem ich gesehen hab, was das LSD mit ihr gemacht hat. Ich habe die meiste Zeit geredet. Hab versucht, ihr Sachen beizubringen. Über Verkehrsschilder, das Wetter, Tiere. Das Leben. Sie wusste nichts, absolut null, ich hab nie einen Menschen gekannt, der weniger über die Welt wusste als sie. Ich war ja auch kein Studierter, bloß ein dummer Junkie-Dealer, aber ich konnte ihr eine Menge beibringen, und daran können Sie schon sehen, wie armselig es bei ihr aussah.«
    Er reckte den Hals. »Dürfte ich Sie bitten, mir noch eine Diätlimo zu bringen, Sir? Ich hab ständig Durst, bin nämlich zuckerkrank.«
    Ich öffnete eine Flasche und brachte sie ihm. Er leerte sie in wenigen Sekunden und gab sie mir zurück. »Vielen Dank. Was Sie wissen sollten, Sir, ist, dass ich nie irgendwas Sexuelles mit ihr gemacht hab. Nicht ein einziges Mal, niemals. Nicht, dass ich da stolz drauf sein könnte. Ich war schließlich ein Junkie, und Sie als Doktor wissen sicher, wie das auf den Sextrieb wirkt. Und dann kam mein Diabetes dazu, und seitdem ist da drin sowieso alles im Eimer; ich hab also schon ziemlich lange keinen Sex mehr gehabt. Trotzdem, ich bilde mir ein, dass es ohne das genauso gewesen wäre. Ich hab eben Respekt vor ihr, verstehen Sie? Ich hätte ihre Situation nie ausgenutzt.«
    »Mir scheint, dass Sie von Anfang an Respekt vor ihr hatten.«
    »Würde mich freuen, wenn's so wäre. Sie reden genau wie Dr. Harrison. Versuchen, was Nettes über mich zu sagen…. Na, jedenfalls, das ist die Geschichte von mir und meiner Aimée. Ich mag diesen Namen, den hab ich übrigens für sie ausgesucht. Den alten Namen hat sie von ihrer Familie gekriegt, und die hat sie wie Dreck behandelt, also hatte sie einen Neuanfang verdient. Aimée heißt auf Französisch Freundin, und ich wollte sowieso immer schon mal nach Frankreich, und außerdem ist sie das für mich wirklich gewesen, meine einzige echte Freundin. Und Dr. H. ist mein einziger Freund.«
    Es gelang ihm mit etwas Mühe, die Hände auf die Räder des Rollstuhls zu legen. Er rollte ein paar Zentimeter zurück und lächelte. Als ob ihm schon die kleinste Bewegung Vergnügen bereitete. »Ich werde bald sterben, und es ist schön zu wissen, dass Dr. Harrison da sein wird, um für meine Aimée zu sorgen.«
    »Das wird er.«
    Das Lächeln verflog. »Er ist natürlich nicht mehr der Jüngste…«
    »Haben Sie mit ihm irgendwelche Pläne gemacht?«
    »Dazu sind wir noch nicht gekommen«, erwiderte Bill. »Wir sollten es bald tun… Jetzt habe ich Ihnen aber schön die Ohren vollgequatscht, und dabei interessieren Sie meine persönlichen Probleme doch gar nicht. Sie sind hier, um rauszufinden, was damals mit dem Ingalls-Mädchen passiert ist.«
    »Ja«, sagte ich.
    »Die arme Janie. Ich sehe ihr Gesicht noch ganz deutlich vor mir, hier vor meinen Augen.« Er tippte mit dem

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