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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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er. »Ich war ja ihr Dealer, wie gesagt. Also, jedenfalls wollte Aimée unbedingt mit rübergehen, wie immer, alles, was diese Jungs machten, fand sie automatisch cool. Ganz egal, wie sie mit ihr umgesprungen sind, sie wollte immer bei ihnen sein. Ich hab versucht, ihr das auszureden, hab sie ins Haus zurückgeschleift und mich hingehockt, um ein bisschen mit der Musik zu grooven. Ich hatte mir nämlich einen Schuss gesetzt, während Aimée im Gebüsch war, und ich war schon ziemlich gut drauf. Aber dann hab ich die Augen aufgemacht, und da war sie verschwunden. Ich wusste gleich, wo sie hingegangen war, und weil ich ja schließlich für sie verantwortlich war, bin ich gleich hinterher. Und ich hab sie gefunden. Sie hat zugeguckt. Hinter den Bäumen versteckt, dort bei dieser Lichtung. Sie hat am ganzen Leib gezittert, mit den Zähnen geklappert hat sie, und als ich gemerkt hab, wo sie hinguckt, da war mir gleich klar, wieso.«
    »Wie viel Zeit war da vergangen, seit Coury sich Janie gegriffen hatte?«, fragte ich.
    »Schwer zu sagen. Mir ist's ziemlich lang vorgekommen, aber ich war auch abwechselnd high und nüchtern gewesen, so eine Achterbahnfahrt, wissen Sie, was ich meine? Schon mal Opiate ausprobiert?«
    »Als Kind habe ich mir mal den Kopf aufgeschlagen, und da haben sie mir Demerol gegeben, bevor sie mich zusammengenäht haben.«
    »Haben Sie es gemocht?«
    »Sehr«, antwortete ich. »Die Zeit schien plötzlich langsamer zu vergehen, und die Schmerzen haben sich in ein warmes Glühen verwandelt.«
    »Sie wissen also Bescheid.« Er drehte den Kopf zur Seite. »Es ist wie der beste Kuss der Welt. Der köstlichste Kuss, als ob du Gottes Lippen auf dir spürst. Nach all den Jahren und obwohl ich weiß, wie das Zeug mein Leben ruiniert hat, muss ich immer noch daran denken… an die Vorstellung , es zu tun. Und der Herr steh mir bei, manchmal bete ich, dass, wenn ich mal tot bin und sie mich durch irgendein Wunder doch noch da oben reinlassen, dass dann diese gewaltige Spritze auf mich wartet.«
    »Was hat Aimée dort auf der Lichtung gesehen?«
    »Janie.« Seine Stimme versagte, als er den Namen aussprach, und er schaukelte leicht mit dem Oberkörper vor und zurück.
    »Mein Gott, es war furchtbar. Irgendwer hat sie mit einer Taschenlampe angestrahlt, Luke the Nuke war's und die anderen haben um sie rumgestanden und geglotzt. Sie hatten sie flach auf die Erde gelegt, die Beine gespreizt, und von ihrem Kopf war vor lauter Blut nichts mehr zu sehen; sie war mit Stichen und Schnitten übersät und voller Brandwunden, und der Boden um sie herum war voll mit Blut und Zigarettenkippen.«
    »Konnten Sie eine Waffe sehen?«
    »Coury und Bobo Cossack hatten Messer in den Händen. Große Jagdmesser, wie man sie im Army Shop kriegt. Garvey hatte die Zigarettenpackung, Kools. Wollten wohl hip sein.«
    »Und Brad Larner?«
    »Der hat nur dagestanden und gegafft. Und der andere, dieser Große, der ein bisschen dusselig aussah, der war hinter ihm, und der hatte die Hosen gestrichen voll, hat total die Panik geschoben, das konnte man ihm an der Nasenspitze ansehen. Die anderen waren eher… erstarrt. Als ob ihnen erst allmählich klar geworden wäre, was sie da angerichtet hatten. Und dann hat Coury gesagt: ›Wir müssen die Schlampe von hier wegschaffen‹, und zu Brad hat er gesagt, er soll zu seinem Wagen laufen und die Decken holen, die er immer dabei hat. Und in dem Moment ist es Aimée plötzlich schlecht geworden, und sie hat ziemlich laut gewürgt, und alle haben uns angestarrt, und Garvey hat gesagt: › Scheiße, was machst du denn hier, du dumme Kuh?‹, und ich hab Aimée geschnappt und wollte mit ihr türmen. Aber Garvey hat sie am Arm gepackt und wollte sie nicht loslassen, und ich wollte nur noch möglichst weit weg, also hab ich sie bei ihm zurückgelassen und bin gerannt, so schnell ich konnte, bin in mein Auto gesprungen und mit Vollgas auf und davon. Ich bin gefahren wie ein Wahnsinniger, ein Wunder, dass mich die Bullen nicht kassiert haben. Ich bin rüber zum Jachthafen, dann auf dem Washington Boulevard Richtung Osten, und immer weiter bis zur La Brea, und dann nach Süden rein ins Ghetto.«
    Er lächelte. »In ein Viertel mit hoher Kriminalitätsrate. Watts. Da hab ich mich dann endlich sicher gefühlt.«
    »Und weiter?«
    »Nichts weiter. Ich hab versucht, nicht aufzufallen, dann ist mir die Kohle und der Stoff ausgegangen, und ich hab das Einzige gemacht, was ich gut konnte und bin dabei erwischt

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