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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Zügen.
    »Es war also eine Chance für sie«, sagte er. »Sie wird sich eine Weile austoben und dann zu dir zurückkommen.«
    »Vielleicht«, meinte ich.
    »Das ist ja nicht das erste Mal, Alex.«
    Danke, dass du mich daran erinnerst, Kumpel. Ich sagte:
    »Diesmal habe ich das ungute Gefühl, dass mehr dahinter stecken könnte. Sie hat mir zwei Wochen lang nichts von dem Angebot erzählt.«
    »Du warst sehr beschäftigt«, sagte er.
    »Ich glaube nicht, dass das der Grund war. Die Art und Weise, wie sie mich in Paris angeschaut hat. Die Art und Weise, wie sie sich verabschiedet hat. Die Verwerfung ist vielleicht zu groß geworden.«
    »Ach, jetzt komm schon«, sagte er. »Wie war's mit ein bisschen Optimismus? Das predigst du mir doch ständig.«
    »Ich predige nicht. Ich gebe Anregungen.«
    »Dann rege ich jetzt an, dass du dich rasierst, dir den Rotz aus den Augen wäschst und in ein paar frische Klamotten steigst, ihre Anrufe nicht länger ignorierst und, verdammt noch mal, versuchst, die Sache geradezubiegen. Ihr zwei seid ja wie…«
    »Wie was?«
    »Ich wollte gerade sagen, wie ein altes Ehepaar.«
    »Sind wir aber nicht«, sagte ich. »Verheiratet, meine ich. So viele Jahre sind wir jetzt schon zusammen, und wir haben beide nie die Initiative aufgebracht, unsere Beziehung zu legalisieren.
    Was das wohl zu bedeuten hat?«
    »Ihr habt dieses Stück Papier eben nicht nötig. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.«
    Er und Rick waren sogar noch länger zusammen als Robin und ich.
    »Würdet ihr, wenn ihr könntet?«, fragte ich.
    »Wahrscheinlich«, antwortete er. »Vielleicht. Was ist denn nun eigentlich euer Problem?«
    »Es ist ziemlich kompliziert«, sagte ich. »Und ich bin ihr auch nicht ausgewichen. Wir verpassen uns bloß immer wieder.«
    »Gib dir mehr Mühe.«
    »Sie ist mit dem Bus unterwegs, Milo.«
    »Gib dir trotzdem mehr Mühe, verdammt.«
    »Und was ist eigentlich mit dir los?«, fragte ich.
    »Akute Desillusionierung. Zusätzlich zu der chronischen Desillusionierung durch meinen Job.« Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Ich bin darauf angewiesen, dass wenigstens ein paar Dinge in meinem Leben konstant sind, Alex. Wie zum Beispiel ihr zwei. Ich will, dass zwischen euch beiden alles in Butter ist, damit ich meinen Seelenfrieden habe, okay? Ist das zu viel verlangt? Ja, ja, es ist egoistisch, aber da kann man halt nichts machen.«
    Was kann man darauf erwidern? Ich saß da, und er wischte sich über die Stirn. Er schwitzte immer noch und sah hundeelend aus. So verrückt es klingt, ich fühlte mich schuldig.
    »Wir werden uns schon wieder zusammenraufen«, hörte ich mich sagen. »Und jetzt erzähl mir, warum du totenbleich geworden bist, als du das Foto von Janie Ingalls gesehen hast.«
    »Niedriger Blutzucker«, sagte er. »Hatte keine Zeit zum Frühstücken.«
    »Aha«, meinte ich, »deshalb der Wodka.«
    Er zuckte die Schultern. »Ich dachte, ich hätte die Sache endgültig verdrängt, aber vielleicht hätte ich doch dranbleiben sollen.«
    »Vielleicht bedeutet ›N. a.‹ ja, dass irgendjemand anderes denk t, du solltest den Fall wieder aufgreifen. Sagen dir die anderen Fotos in dem Album irgendetwas?«
    »Nein.«
    Ich warf einen Blick auf die Handschuhe, die er ausgezogen und auf den Tisch geworfen hatte. »Wirst du Fingerabdrücke abnehmen?«
    »Vielleicht«, antwortete er. Dann verzog er das Gesicht.
    »Was ist?«
    »Der Geist der alten Misserfolge.«
    Er goss sich noch ein viertes Glas ein, fast nur Saft, vielleicht eine Unze Wodka.
    Ich fragte: »Irgendeine Ahnung, wer es geschickt haben könnte?«
    »Klingt, als hättest du eine.«
    »Dein Expartner Schwinn. Er war Hobbyfotograf. Und hatte Zugang zu Polizeiakten.«
    »Warum, um alles in der Welt, sollte er jetzt Kontakt mit mir aufnehmen? Er konnte mich nicht ausstehen. Und der Ingalls-Fall war ihm sowieso scheißegal, wie alle anderen Fälle auch.«
    »Vielleicht hat die Zeit ihm seine Härte genommen. Er war schon zwanzig Jahre im Morddezernat, als du dort anfingst. Das heißt, dass er fast während der gesamten Zeit, die diese Fotos abdecken, dabei war. Die Fotos von den Fällen, die vor seiner Zeit lagen, hat er sich heimlich unter den Nagel gerissen. Er hat sich ja auch sonst nicht an die Regeln gehalten, also wird es sein Gewissen nicht allzu sehr belastet haben, wenn er ein paar Tatortfotos mitgehen ließ. Das Album könnte Teil einer Sammlung sein, die er sich im Lauf der Jahre angelegt hat. Er gibt dem Ganzen den Titel

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