Das Buch der Toten
›Die Mordakte‹ und wählt einen blauen Einband, um besonders originell zu sein.«
»Aber warum sollte er es über dich an mich schicken? Und warum jetzt? Was will er damit erreichen, verdammt noch mal?«
»Ist das Foto von Janie eines, das Schwinn selbst geschossen haben könnte?«
Er streifte sich ein neues Paar Handschuhe über und blätterte zu dem Foto von Janies Leiche zurück.
»Nein, das hier ist professionell entwickelt; mit seiner Instamatic hätte er so eine Qualität nicht hinbekommen.«
»Vielleicht hat er den Film neu entwickeln lassen. Oder wenn er immer noch so ein Fotonarr ist, könnte er inzwischen seine private Dunkelkammer haben.«
»Schwinn«, sagte er. »Ach, zum Teufel mit diesen ganzen Spekulationen, Alex. Der Typ hat mir nicht getraut, als wir Kollegen waren. Weshalb sollte er sich an mich wenden?«
»Und wenn er vor zwanzig Jahren irgendetwas erfahren hat und erst jetzt bereit ist, sein Geheimnis zu lüften? Zum Beispiel die Quelle, die ihn zu Bowie Ingalls und dieser Party geführt hat. Vielleicht hat er Schuldgefühle, weil er es für sich behalten hat, und hat das Bedürfnis, reinen Tisch zu machen. Er müsste heute an die siebzig sein, vielleicht ist er ja krank oder liegt im Sterben. Oder er ist einfach nur in sich gegangen, das kommt vor, wenn man älter wird. Er weiß, dass er selbst nicht mehr die Möglichkeit hat, an dem Fall zu arbeiten, denkt sich aber, dass du es könntest.«
Milo dachte darüber nach. Streifte die Handschuhe wieder ab, stand auf, starrte auf den Kühlschrank, rührte sich aber nicht.
»Wir könnten den ganzen Tag damit verbringen, uns Theorien aus den Fingern zu saugen, aber das Album kann dir weiß Gott wer geschickt haben.«
»Wirklich?«, fragte ich. »Die Medien haben nie über den Mord an Janie berichtet, also muss es jemand gewesen sein, der Zugang zu vertraulichen Informationen hat. Und Schwinns Überzeugung, dass die Wissenschaft eines Tages einen entscheidenden Beitrag zur Aufklärung von Verbrechen leisten würde, spielt vielleicht auch eine Rolle. Der Tag ist doch gekommen, oder? DNA-Analysen und was es da sonst noch alles gibt. Wenn Sperma und Blutproben aufbewahrt wurden«
»Ich weiß doch noch nicht einmal, ob überhaupt Sperma vorhanden war, Alex. Schwinn hielt es für einen Sexualmord, aber keiner von uns hat je einen Obduktionsbericht zu sehen bekommen. Nachdem sie unseren Laden dichtgemacht hatten, habe ich nie wieder irgendetwas Offizielles über den Fall in die Hände bekommen.« Eine gewaltige Faust krachte auf die Tischplatte nieder und die Mordakte machte einen Satz. »Das ist absoluter Quatsch!«
Ich hielt den Mund.
Er begann im Esszimmer auf und ab zu gehen. »Dieses Schwein ich hätte nicht übel Lust, ihn mir vorzuknöpfen und ihn zur Rede zu stellen. Falls er es war, aber warum wurde es an dich geschickt?«
»Weil er seine Spuren verwischen wollte«, sagte ich.
»Schwinn wusste, dass wir zusammenarbeiten, noch ein Hinweis, dass der Absender sich mit Polizei-Interna auskennt.«
»Oder es ist jemand, der Zeitung liest, Alex. Bei der Berichterstattung über den Teague-Fall wurden unsere Namen genannt.«
»Und du bist daraus als strahlender Held hervorgegangen, großer Ermittlungserfolg. Schwinn hat dich vielleicht nicht gemocht, oder respektiert und hat dir nicht getraut, aber vielleicht hat er deine Laufbahn verfolgt und seine Meinung geändert.«
»Jetzt mach mal halblang.« Er griff nach seinem Glas. »All diese| Hypothesen, ich habe das Gefühl, dass mir jeden Moment der Kopf platzt. Manchmal frage ich mich, was eigentlich genau die Basis unserer Freundschaft ist.«
»Das ist ganz einfach«, sagte ich. »Unsere gemeinsame pathologische Veranlagung.«
»Inwiefern pathologisch?«
»Die Unfähigkeit loszulassen. Schwinn, oder wer auch immer die Mordakte geschickt hat, weiß das.«
»Ja, meinetwegen, aber er kann mich mal. Ich beiße nicht an.«
»Deine Entscheidung.«
»Stimmt auffallend.«
»Ah«, sagte ich.
»Das nervt mich, wenn du das machst«, sagte er.
»Was denn?«
»Wenn du so ›ah‹ sagst. Wie ein Zahnarzt.«
»Ah.«
Er holte mit dem Arm aus, und eine massige Faust schoss auf meinen Unterkiefer zu. Er berührte mich leicht und sagte:
»Zack!«
Ich deutete mit dem Daumen auf das blaue Album. »Also, was soll ich deiner Meinung nach damit tun? Es wegschmeißen?«
»Tu einfach gar nichts.« Er stand auf. »Ich fühle mich ein bisschen… werd ein Nickerchen machen. Ist das Bett im Gästezimmer
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