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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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vielleicht…«
    »Ja.«
    »Aha.«
    Er kippte den zweiten Wodka, ging wieder in die Küche, goss sich ein drittes Glas ein, mehr Schnaps, dafür ohne Saft. Ich überlegt e mir, ob ich etwas sagen sollte, manchmal möchte er, dass ich diese Rolle übernehme. Dann fiel mir ein, wie viel Chivas ich seit Robins Abreise geschluckt hatte, und ich sagte nichts. Als er zum zweiten Mal ins Esszimmer zurückkam, ließ er sich schwerfällig auf einen Stuhl nieder, legte die fleischigen Hände um das Glas und schwenkte es, sodass ein kleiner Wodka-Whirlpool entstand.
    »John G. Broussard«, sagte ich.
    »Kein Geringerer.«
    »Wie er dich zusammen mit dem anderen Typ in die Mangel gekommen hat, das hat etwas Kafkaeskes.«
    Er lächelte. »Heute Morgen wachte ich als Küchenschabe auf? Ja, ja, der gute alte John G. hatte schon damals ein besonderes Geschick für solche Dinge. Hat ihm auch nicht geschadet, nicht wahr?«
    John G. Broussard war seit etwas über zwei Jahren Polizeichef von Los Angeles. Persönlich ausgesucht von unserem scheidenden Bürgermeister, in den Augen vieler ein offensichtlicher Kuhhandel, der darauf abzielte, die Kritik an den rassistischen Tendenzen innerhalb des Los Angeles Police Departme nt zum Schweigen zu bringen. Broussard zeichnete sich durch militärisches Gebaren und eine erschreckend autoritäre Persönlichkeit aus. Der Stadtrat misstraute ihm, und die meisten seiner eigenen Leute, einschließlich der schwarzen Cops, verabscheuten ihn wegen seiner Kapo-Vergangenheit. Die offene Verachtung, die Broussard jedem entgegenbrachte, der seine Entscheidungen in Frage stellte, sein offensichtliches Desinteresse an den Problemen der polizeilichen Alltagsarbeit und seine krankhafte Überbewertung der inneren Disziplin in der Polizeibehörde vervollständigten das Bild. Broussard schien sein unpopuläres Image geradezu zu genießen. Anlässlich seiner Vereidigung, zu der er wie üblich in voller Uniform und mit einer Brust voll Lametta erschienen war, hatte der neue Polizeichef erklärt, was für ihn der oberste Grundsatz seiner Arbeit sei: null Toleranz gegenüber Verfehlungen jeglicher Art seitens der Truppe. Am nächsten Tag schaffte Broussard das allseits beliebte System von Kontaktstellen für die Kooperatio n von Polizei und Bevölkerung in Vierteln mit besonders hoher Kriminalität kurzerhand ab, mit der Begründung, diese Einrichtungen leisteten keinen Beitrag zur Eindämmung von Gewaltverbrechen, und eine übertriebene Fraternisierung der Polizei mit der Zivilbevölkerung schade dem professionellen Erscheinungsbild der Truppe.
    »Der makellose John Broussard«, sagte ich. »Und er hat vielleicht geholfen, den Fall Ingalls unter den Teppich zu kehren. Hast du eine Ahnung, warum?«
    Milo gab keine Antwort. Sein Blick wanderte wieder zur »Mordakte«.
    »Sieht aus, als sei das Ding eigentlich für dich bestimmt«, sagte ich. Immer noch keine Antwort. Ich ließ ein paar Sekunden verstreichen. »Hat sich im Fall Ingalls noch irgendetwas ergeben?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Melinda Waters ist nicht wieder aufgetaucht?«
    »Wenn, dann hätte ich nichts davon erfahren«, sagte er.
    »Nachdem ich nach West L. A. versetzt worden war, habe ich den Fall nicht weiter verfolgt. Sie könnte geheiratet und Kinder bekommen haben und jetzt in einem netten kleinen Haus mit einem Großbild-Fernseher wohnen, ohne dass ich etwas davon mitbekommen hätte.«
    Er redete zu schnell und zu laut. Ich erkannte sofort den unverwechselbaren Tonfall der Beichte. Er fuhr sich mit einem Finger unter dem Kragen entlang. Seine Stirn glänzte, und die Stressfalten um seine Mundwinkel und Augen waren tiefer geworden. Er machte seinem dritten Wodka den Garaus, stand auf und bewegte seine massige Gestalt wieder in Richtung Küche.
    »Ganz schön durstig, was?«, bemerkte ich.
    Er blieb stehen, fuhr herum und funkelte mich an. »Das musst gerade du sagen. Mit diesen Augen, willst du mir etwa erzählen, dass du hübsch trocken geblieben bist?«
    »Heute Vormittag schon«, antwortete ich.
    »Herzlichen Glückwunsch. Wo ist Robin?«, wollte er wissen.
    »Was, zum Teufel, läuft bei euch beiden ab?«
    »Tja«, sagte ich. »Interessante Post, die ich da bekommen habe.«
    »Ja, ja. Wo ist sie, Alex?«
    Mein Kopf war voll mit Worten, aber sie steckten in meiner Kehle fest. Ich atmete schneller, flacher. Wir starrten einander an.
    Er lachte als Erster. »Zeigst du mir deins, wenn ich dir meins zeige?«
    Ich erklärte ihm die Situation in groben

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