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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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aktives Desinteresse an Janie Ingalls?
    Milo sagte: »Nein.«
    »Nicht von Tonya Stumpf?«
    »Nein.«
    »Oder von irgendjemandem sonst?«
    »Nein«, antwortete Milo. »Nie, nicht ein einziges Mal.« Broussard senkte den Kopf und starrte Milo in die Augen.
    Milo spürte seinen Atem, warm, regelmäßig, pfefferminzfrisch und dann plötzlich säuerlich, als ob ihm die Galle hochgekommen wäre. Der Typ hatte also doch normale Körperfunktionen.
    »Nicht ein einziges Mal«, wiederholte er.
    Ebenso plötzlich, wie sie ihn sich geschnappt hatten, ließen sie ihn wieder laufen. Kein Wort des Abschieds; beide IA-Männer drehten ihm den Rücken zu. Er verließ das Revier unverzüglich und verzichtete darauf, nach oben zu seinem Schreibtisch zu gehen und nachzusehen, ob er irgendwelche Nachrichten bekommen hatte.
    Am nächsten Morgen fand er eine interne Mitteilung in seinem Hausbriefkasten. Schlichter weißer Umschlag, kein Poststempel durch einen Boten zugestellt.
    Sofortige Versetzung zum Revier West L. A., unverständliches verwaltungschinesisch über personelle Umstrukturierungsmaßnahmen. Einem maschinegeschriebenen Zusatz konnte er entnehmen, dass ihm dort bereits ein Spind zugeteilt worden war; die Nummer war angegeben. Der Inhalt seines Schreibtisches sowie seine persönlichen Gegenstände waren aus dem Central-Revier entfernt worden. Seine laufenden Fälle waren anderen Detectives übertragen worden.
    Er rief im Central-Revier an und versuchte herauszubekommen, Wem der Mord an Janie Ingalls zugeteilt worden war, konnte keine klare Auskunft bekommen, erfuhr aber schließlich, dass der Fall dem Revier ganz entzogen und an die Mordkommission des Metro-Reviers übertragen worden war, an die Jungs vom Parker Center, die so oft und gerne im Licht der Öffentlichkeit standen.
    Der Fall war nach oben delegiert worden. So publicitygeil, wie sie dort waren, würde Janie nun wohl endlich in den Schlagzeilen auftauchen, dachte Milo. Aber das tat sie nicht.
    Er rief im Metro-Revier an, hinterließ ein halbes Dutzend Nachrichten, weil er unbedingt die Informationen loswerden wollte, die er noch nicht in die Mordakte Ingalls hatte aufnehmen können. Die Party bei den Cossacks, das Verschwinden von Melinda Waters, Dr. Schwartzmans Verdächtigungen gegen Caroline Cossack. Niemand rief ihn zurück.
    Sein neuer Lieutenant in West L. A. war feindselig und abweisend, und Milos Zuweisung zu einem neuen Partner wurde verschleppt, wieder musste irgendwelches Verwaltungskauderwelsch zur Erklärung herhalten. Ein Riesenstapel ungeklärter alter Mordfalle und dazu ein paar neue, zum Glück solche, die er mit links lösen konnte, landeten auf seinem Schreibtisch. Er fuhr seine Einsätze allein, erledigte seine Arbeit wie ein Roboter, desorientiert in seiner neuen, ungewohnten Umgebung. West L. A. hatte die niedrigste Kriminalitätsrate in der ganzen Stadt, und er stellte fest, dass er das pulsierende Leben und die Gefahr vermisste.
    Er gab sich keine Mühe, neue Freunde zu gewinnen, vermied Kontakte mit den Kollegen nach Dienstschluss. Nicht, dass er irgendwelche Einladungen hätte ausschlagen müssen. Die Detectives von West L. A. waren noch kälter und abweisender als seine Kollegen vom Central-Revier, und er fragte sich, inwieweit seine Zusammenarbeit mit Schwinn dafür verantwortlich war. Vielleicht hatte er sich ja einen Ruf als Verräter eingehandelt. Oder waren ihm die Gerüchte auch hierher gefolgt?
    Der Homo-Cop. Der Homo-Cop, der seine Kameraden ans Messer liefert? Ein paar Wochen nach seiner Versetzung unternahm ein Kollege namens Wes Baker den Versuch, sich mit Milo anzufreunden, erklärte, er habe gehört, dass Milo einen Magisterabschluss habe, und es sei ja wirklich an der Zeit, dass auch mal Leute mit Köpfchen sich für die Polizeiarbeit entschieden. Er selbst hielt sich für einen Intellektuellen, spielte Schach, hatte eine Wohnung voller Bücher und benutzte schwierige Wörter, wo einfache vollauf genügt hätten. In Milos Augen war er ein Angeber und ein Snob, aber trotzdem ließ er sich von Baker zu Dates mit dessen Freundin und ihren Stewardessen-Kolleginnen mitschleppen. Und dann war Baker eines Nachts mit dem Wagen unterwegs und erkannte Milo, der an einer Straßenecke in West Hollywood an der Fußgängerampel wartete. Die einzigen Männer, die um diese Zeit an diesem Ort zu Fuß unterwegs waren, waren auf der Suche nach anderen Männern, und der stumme Blick, den Baker Milo zuwarf, sagte alles.
    Kurz darauf brach

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