Das Buch der Toten
klemmte es hinter meinen Augen fest. Janie Ingalls' brutal misshandelter Körper. Ein totes Mädchen, das mir einen gnädigen Moment des Vergessens gewährte, als ich mich in ihren imaginierten Todesqualen vertiefte.
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Ein Vorteil sensorischer Deprivation ist, dass sie die Wahrnehmung beleben und schärfen kann. Und wenn man einen Plan hat irgendeinen Plan, fühlt man sich gleich viel wichtiger.
Als ich aus dem Haus trat, küsste mich die Sonne wie eine Geliebte, und die Bäume wirkten viel grüner unter ihren milden Strahlen, was mich wieder daran erinnerte, warum so viele Leute nach Kalifornien zogen. Ich holte meine Post aus dem Kasten, alles für den Papierkorb, ausnahmslos und ging dann um das Haus herum in den Garten, wo ich am Teich stehen blieb. Die Kois wanden sich wie ein rotweißes Brokatband im Wasser, wimmelten hektisch umher und stießen mit den Mäulern gegen die steinerne Einfassung, nachdem meine Schritte sie an die Oberfläche gelockt hatten.
Zehn sehr hungrige Fische. Ich machte sie glücklich. Dann fuhr ich zur Uni. Ich benutzte meinen Ausweis von der medizinischen Fakultät, um auf dem nördlichen Campus der Uni parken zu können, ging in die Forschungsbibliothek und setzte mich an eines der Computer-Terminals. Ich begann mit den internen Datenbanken, ging dann ins Internet und arbeitete mich durch sechs verschiedene Suchmaschinen.
Janie oder Jane Ingalls brachte mich auf eine Website mit dem Stammbaum der Familie Ingalls-Dudenhoffer aus Hannibal, Missouri. Ur-Ur-Urgroßmutter Jane Martha Ingalls wurde nächste Woche 237 Jahre alt.
Bowie Ingalls führte mich zu einem David-Bowie-Fanclub in Manchester, außerdem zu der Website eines Geschichtsprofessors an der University of Oklahoma, die Jim Bowie gewidmet war, dem mit dem berühmten Messer.
Für Melinda Waters bekam ich mehrere Treffer angezeigt, aber keiner davon schien auch nur im Entferntesten relevant. Eine Physikerin dieses Namens arbeitete im Lawrence Livermore Laboratory, die neunzehnjährige Melinda Sue Waters, die in einer Kleinstadt in Arkansas wohnte, bot Nacktfotos von sich feil, und Rechtsanwältin Melinda Waters (»Spezialgebiete: Konkursrecht und Zwangsräumungen«) aus Santa Fe, New Mexico, warb auf einem elektronischen Schwarzen Brett für ihre Dienste.
Nichts über die beiden Mädchen, weder Berichte über Gewaltverbrechen noch Todesanzeigen. Vielleicht war Janies Freundin tatsächlich aufgetaucht, wie Milo vermutet hatte, und hatte sich unbemerkt wieder in die Gesellschaft eingegliedert.
Ich versuchte es mit dem Namen ihrer Mutter, Elaine, ohne Erfolg.
Nächste Suche: Tonya Marie Stumpf. Nichts über Pierce Schwinns Rücksitz-Gespielin. Auch nicht allzu überraschend, ich hatte nicht damit gerechnet, dass eine alternde Nutte ihre eigene Website haben würde.
Auch keine Informationen über Pierce Schwinn. Mit seinem Nachnamen bekam ich diverse Seiten über Schwinn-Fahrräder und eine Pressemeldung, die mir ins Auge fiel, weil sie ein Ereignis in der Region betraf: Es war der Bericht einer Wochenzeitung aus Ventura vom vergangenen Jahr über eine Pferdeschau. Unter den Gewinnern war eine Frau namens Marge Schwinn, die in einem Ort namens Oak View Araber züchtete. Ich schlug den Ort nach, siebzig Meilen nördlich von L. A., in der Nähe von Ojai. Genau der fast schon ländliche Rückzugsort, der für einen Expolizisten reizvoll sein könnte. Ich no tierte mir ihren Namen. Mit den Recherchen über die Aktivitäten der Cossack-Familie war ich eine ganze Weile beschäftigt, denn ich stieß auf Dutzende von Artikeln in der L. A. Times und den Daily News, die bis in die sechziger Jahre zurückreichten.
Der Vater der Knaben, Garvey Cossack senior, tauchte immer mal wieder auf, wenn er irgendwelche Gebäude abriss und an ihrer Stelle Einkaufszentren errichtete, die Baubehörde bearbeitete, um Sondergenehmigungen zu bekommen, oder sich bei Wohltätigkeitsveranstaltungen unter die Politiker mischte. Seine Firma, Cossack Development, hatte gemeinnützige Organisationen wie United Way und alle möglichen Selbsthilfegruppen gefördert, doch ich fand keine Hinweise auf irgendwelche Spenden an den Hilfsfonds der Polizei oder auf Verbindungen zu John G. Broussard oder dem LAPD.
Ein fünfundzwanzig Jahre altes Foto auf der Gesellschaftsseite einer Zeitschrift zeigte Cossack sen. als einen kleinen, rundlichen und kahlköpfigen Mann, der eine riesige Brille mit schwarzem Gestell trug, mit einem sehr kleinen, mürrisch verzogenen Mund
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