Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
getrübt von Unruhe, Vergessen und Vergehen. Als hätte die Stille dieser schwachen Sonne Gestalt angenommen in einem unvollkommenen Körper. Ja, als geschähe etwas und als verschleierte sich alles Sichtbare in einer allumfassenden Ahnung.
Man wußte nicht recht, ob der Himmel bewölkt war oder vernebelt. Mattigkeit, Benommenheit, hier und da farbig, ein Aschgrau mit einer Andeutung von Gelb, nur dort nicht, wo es in einem trügerischen Rosa zerfloß oder in einem blassen Blau erstarrte und man nicht erkennen konnte, ob der Himmel selbst sich zeigte oder ein anderes Blau ihn überdeckte.
Nichts war bestimmt, selbst das Unbestimmte nicht. Daher war man versucht, den Nebel Rauch zu nennen, denn er wirkte nicht wie Nebel, oder sich zu fragen, ob es Nebel war oder Rauch – es war nicht festzustellen. Sogar die Wärme der Luft wirkte an dieser Ungewißheit mit. Es war weder warm noch kalt noch frisch, sondern schien aus Elementen zusammengesetzt, die nichts zu tun hatten mit Wärme. Man hätte es tatsächlich für Nebel halten können, kalt in den Augen und warm in der Berührung, als seien Berührung und Blick zwei Wahrnehmungen ein und desselben Sinnes.
Nicht einmal an den Umrissen der Bäume oder den Ecken der Gebäude sah man das Verschwimmen von Linien und Kanten, das wirklicher Nebel bewirkt, wenn er sich festsetzt, oder das wirklicher, natürlicher Rauch halb aufdeckt, halb verhüllt. Alle Dinge schienen ihren eigenen verschwommenen Tagschatten zu werfen, in alle Richtungen, ohne ein Licht, das den Schatten hätte erklären, ohne einen Projektionsraum, der ihn als sichtbar hätte rechtfertigen können.
Nicht einmal sichtbar war es: Es war wie der Anfang eines Sichtbarwerdens von etwas, überall auf gleiche Weise, als zögere das zu Enthüllende, sich zu zeigen.
Und was fühlte man? Die Unmöglichkeit, etwas zu fühlen, das Herz war gebrochen vom Verstand, verworren die Gefühle, betäubt die erwachte Existenz, geschärft das Gehör, doch das der Seele, um eine endgültige, nutzlose Enthüllung zu begreifen, immerfort im Begriff, sich zu zeigen, immerfort, wie die Wahrheit, Zwillingsschwester des sich nie Zeigenden.
Sogar das Verlangen nach Schlaf, dessen sich das Gedächtnis entsinnt, vergeht, das bloße Gähnen kommt bereits einer Anstrengung gleich. Selbst das Nicht-mehr-Hinsehen schmerzt in den Augen. Und in dieser farblosen Entsagung der ganzen Seele sind nur die äußeren Geräusche fern, die unmögliche Welt, die noch existiert.
Ach, eine andere Welt, andere Dinge, eine andere Seele, um sie wahrzunehmen, ein anderer Verstand, um diese Seele zu sehen! Alles, sogar der Überdruß, nur nicht dieses allgemeine Vernebeln der Seele und der Dinge, diese bläuliche Schutzlosigkeit der Unbestimmtheit von allem!
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Wir gingen getrennt-vereint auf den wild gewundenen Pfaden des Waldes. Unsere Schritte, das Fremde an uns, fanden, weil im Einklang, gemeinsam durch das knackende Weich der Blätter, die gelb, halb grün die Unebenheiten des Bodens bedeckten. Doch gingen sie auch allein, denn wir waren zwei Gedanken, und gemeinsam war uns nur, was wir nicht waren und was im Einklang denselben Boden beschritt, den wir beide hörten.
Der Herbst hatte schon begonnen, und wir vernahmen überall, wo wir gingen oder gegangen waren, nicht nur die Blätter unter unseren Füßen, sondern in der rauhen Begleitung des Windes auch das unablässige Fallen anderer Blätter oder Geräusche von Blättern. Der Wald war die einzige Landschaft, er verbarg all die anderen. Doch als Ort und als Platz genügte er Menschen wie uns, deren Leben ein Gehen war in Einklang und Verschiedenheit über welken Grund. Ich glaube, es war ein Tagesende, dieses oder eines anderen Tages, oder vielleicht aller Tage, in einem Herbst aller Herbste, in einem symbolischen, wirklichen Wald.
Welche Heimstatt, welche Pflicht, welche Liebe wir hinter uns ließen – wir selbst hätten es nicht zu sagen vermocht. Zwei Wanderer, nicht mehr, waren wir in diesem Augenblick, zwei Wanderer zwischen Vergessen und Nicht-Wissen, Reiter zu Fuß, Ritter des aufgegebenen Ideals. Doch darin, wie auch im gleichbleibenden Geräusch der zertretenen Blätter und im immer gleichen rauhen Geräusch des ungewissen Windes, lag der Seinsgrund für unseren Abschied und unsere Wiederkehr, denn da wir weder das Wie des Weges kannten noch das Warum, wußten wir nicht, ob wir kamen oder gingen. Und um uns versetzte mit seiner Traurigkeit das Geräusch der verfallenden Blätter,
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