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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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diesem Leben jenes Provinzhotels, müde schon der Unterhaltungen und Witze mit den Gefährten seines Verweilens.

Der Fluß des Besitzens
    Daß wir alle verschieden sind, ist ein Grundsatz unserer Natur. Nur von fern sind wir einander ähnlich, aus der Nähe besehen aber nicht gleich. Daher gehört das Leben den Unbestimmten; zusammenleben können nur solche, die sich nie festlegen und einer wie der andere Niemande sind.
    Jeder von uns ist zwei, und wenn sich zwei Personen begegnen, annähern und zusammentun, stimmen diese vier Personen selten überein. Wenn sich schon der Mensch, der in jedem handelnden Menschen träumt, so oft mit dem, der handelt, überwirft, wie wird er sich da nicht mit dem Menschen überwerfen, der im Anderen handelt und träumt?
    Wir sind Kräfte, weil wir Leben sind. Jeden von uns zieht es zu sich selbst, mit Zwischenaufenthalten bei anderen. Wenn wir genügend Selbstachtung haben, uns interessant zu finden, […]. Jede Annäherung bedeutet Konflikt. Der Andere ist für den Suchenden immer ein Hindernis. Nur wer nicht sucht, ist glücklich, weil nur, wer nicht sucht, findet, da, wer nicht sucht, schon hat, und schon haben, was immer es auch sei, glücklich sein heißt, so wie nicht denken das Beste am Reichsein ist.
    Ich sehe dich an, in mir, erdachte Braut, und noch ehe du existierst, entzweien wir uns. Meine Gewohnheit, klar zu träumen, verleiht mir eine genaue Vorstellung von der Wirklichkeit. Wer exzessiv träumt, muß dem Traum Wirklichkeit verleihen. Wer dem Traum Wirklichkeit verleiht, muß ihm das Gleichgewicht der Wirklichkeit verleihen. Wer seinem Traum das Gleichgewicht der Wirklichkeit verleiht, leidet unter der Wirklichkeit seines Traumes ebenso wie unter der Wirklichkeit seines Lebens (und unter dem Unwirklichen seines Traumes ebenso wie unter dem Gefühl, daß Leben unwirklich ist).
    Ich erwarte dich, träumend, in unserem Schlafzimmer, das zwei Türen hat, ich träume dich kommend zu mir, und in meinem Traum trittst du durch die rechte Tür; trittst du, aber wirklich kommend, durch die linke Tür, besteht bereits ein Unterschied zwischen dir und meinem Traum. Die ganze menschliche Tragödie ist in diesem einen kleinen Beispiel enthalten, es zeigt, wie wenig die Menschen, an die wir denken, die Menschen sind, für die wir sie halten.
    Liebe verlangt nach Gleichheit im Unterschied, was bereits logisch unmöglich ist und noch viel mehr im wirklichen Leben. Die Liebe möchte besitzen, möchte sich einverleiben, was außerhalb bleiben muß, um sich zu vergewissern, daß ein Teil von ihr wird , was kein Teil von ihr ist . Lieben heißt sich hingeben. Je größer die Hingabe, desto größer die Liebe. Aber mit der völligen Hingabe geht auch das Bewußtsein für den Anderen dahin. Daher bedeutet die größte Liebe Tod, Vergessen und Verzicht – alle Spielarten der Liebe machen die Liebe zu einer Absurdität.
    Auf der Terrasse des alten Palastes, hoch über dem Meer, werden wir still nachsinnen über den Unterschied zwischen uns. Ich war Prinz und du Prinzessin auf der Terrasse am Meer. Unsere Liebe erwuchs aus unserer Begegnung, wie die Schönheit aus der Begegnung des Mondes mit dem Wasser.

    Liebe verlangt nach Besitz, weiß aber nicht, was Besitz ist. Wenn ich nicht mein bin, wie kann ich dann dein sein oder du mein? Wenn ich mein eigenes Wesen nicht besitze, wie kann ich dann ein fremdes Wesen besitzen? Wenn ich mich bereits von dem unterscheide, mit dem ich übereinstimme, wie kann ich da mit dem übereinstimmen, von dem ich mich unterscheide?
    Die Liebe ist ein Mystizismus, der in die Tat umgesetzt werden möchte, eine Unmöglichkeit, die unsere Träume möglich zu machen versuchen.

    Ich, ein Metaphysiker? Das ganze Leben ist eine Metaphysik im Dunkel, mit Göttergeraune und dem unbekannten Weg als einzigem Weg.

    Mein dekadenter Geist überlistet mich auf hinterhältigste Weise mit meiner Liebe zur Gesundheit und Klarheit. Ich empfand einen schönen Körper und einen beschwingten jugendlichen Gang stets angemessener für diese Welt als all die Träume, die ich in mir trage. Mit der Freude eines im Geiste Alten folge ich zuweilen – ohne Neid noch Verlangen – zufälligen, vom Nachmittag zusammengeführten Paaren, die Arm in Arm auf die unbewußte Bewußtheit der Jugend zugehen. Ich freue mich an ihnen, wie ich mich an einer Wahrheit freue, ohne darüber nachzudenken, ob sie mit mir zu tun hat oder nicht. Vergleiche ich die jungen Leute mit mir, freue ich mich noch

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