Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
werde ich heiter, werde ich , hüpfe umher, meine Augen glänzen, ich öffne die Arme und verspüre ein gewaltiges, unvergleichliches Glücksgefühl.
Ach, es gibt keine schmerzlichere Sehnsucht als die nach Dingen, die nie waren! Was ich fühle, wenn ich an meine wirkliche Vergangenheit denke, wenn ich über dem Leichnam des Lebens meiner dahingegangenen Kindheit weine … ist nicht zu vergleichen mit der schmerzlich bebenden Inbrunst, mit der ich die Unwirklichkeit meiner bescheidenen Traumgestalten beweine, selbst jener weniger wichtigen, die ich erinnern kann, nur einmal gesehen zu haben in meinem Pseudoleben, als sie in meiner erschauten Welt um eine Straßenecke bogen oder den Torweg einer Straße passierten, die ich in meinem Traum hinauf und hinunter ging.
Mein Zorn darüber, daß Sehnsucht nicht wiederbeleben und wiederaufleben lassen kann, richtet sich nie so tränenreich gegen Gott, den Schöpfer von Unmöglichkeiten, wie wenn ich mir bewußt werde, daß meine Traumfreunde, mit denen ich so vieles geteilt habe in einem Scheinleben, mit denen ich so viele anregende Gespräche geführt habe in imaginären Kaffeehäusern, letztlich nie einer Sphäre angehörten, in der sie wirklich hätten existieren können, unabhängig vom Bewußtsein, das ich von ihnen hatte!
O die tote Vergangenheit, die in mir lebendig ist und immer nur in mir war! Die Blumen aus dem Garten des kleinen Landhauses, das es nur in mir gab! Die Gemüsegärten, die Obstgärten, der Pinienhain des Landguts, das nur ein Traum von mir war! Meine imaginären Sommerfrischen, meine Spaziergänge durch eine ländliche Landschaft, die es nie gab! Die Bäume am Straßenrand, die Feldwege, die Steine, die Bauern, die vorübergehen … all dies, das nie mehr war als ein Traum, ist eingeprägt in meine Erinnerung, wo es schmerzt, und ich, der ich Stunden damit verbrachte, all dies zu träumen, verbringe nun Stunden damit, mich zu erinnern, all dies geträumt zu haben, und wirklich, ich verspüre Sehnsucht, beweine eine Vergangenheit, betrachte ein wirkliches Leben, tot und feierlich in seinem Sarg.
Dann sind da noch Landschaften und Leben, die nicht ausschließlich innerlich waren. Das ein oder andere Gemälde ohne größeren künstlerischen Wert, der ein oder andere Farbdruck an Wänden, in deren Gegenwart ich viele Stunden verbrachte, wurden Wirklichkeit in mir. Sie stimmten mich trauriger, taten mir weh. Es verdroß mich, nicht Teil dieser Szenerien sein zu können, gleich, ob sie wirklich waren oder nicht. Weshalb konnte ich nicht wenigstens eine weitere Bildgestalt sein, am Rand dieses Mondscheinwaldes auf einem kleinen Kunstdruck in dem Zimmer, in dem ich, schon nicht mehr Kind, schlief? Weshalb war es undenkbar, daß ich dort im Wald am Fluß im ewigen (wenn auch schlecht gemalten) Mondschein von meinem Versteck aus einen Mann in einem Boot unter den hängenden Zweigen einer Weide vorüberfahren sah? Hier schmerzte es mich, den Traum nicht ganz träumen zu können. Meine Sehnsucht sah anders aus. Und auch meine Verzweiflung äußerte sich anders. Die quälende Unmöglichkeit hatte eine andere Form der Angst zur Folge. Hätte all dies wenigstens einen Sinn in Gott und könnte Verwirklichung finden gemäß unseren Wünschen, in einer vertikalen Zeit, wo, weiß ich nicht, aber wesensgleich mit der Richtung meiner Sehnsüchte und Träumereien! Gäbe es doch zumindest ein Paradies aus alledem, auch wenn nur für mich! Könnte ich doch meine erträumten Freunde treffen, durch die Straßen gehen, die ich mir erschuf, erwachen beim Gegacker von Hähnen und Hühnern, den morgendlichen Geräuschen des Landhauses, in dem ich mich sah … und all das von Gott gewollt und eingerichtet, in der perfekten Ordnung, um bestehen zu können, in der erforderlichen Form, um mein zu sein, etwas, das nicht einmal meine Träume vermögen, es sei denn in einer fehlenden Dimension des inneren Raumes, der diese ärmlichen Wirklichkeiten birgt.
Ich sehe auf von dem Papier, auf das ich schreibe … Es ist noch früh. Kaum Mittag, und Sonntag. Das Übel des Lebens, die Bewußtheit, beginnt mit meinem Körper und verstört mich. Weshalb gibt es keine Inseln für Leidende, keine alten Alleen, vorbehalten nur den Traumverlorenen? Leben müssen und handeln, wie wenig auch immer; zur Berührung gezwungen sein, da es andere, ebenfalls wirkliche Menschen gibt im Leben! Hier sein und dies aufschreiben, weil meine Seele dies braucht, und nicht fähig sein, dies alles nur zu
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